Jazz und Pippi Langstrumpf
5. Ystad Sweden Jazz Festival 2014
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Bernd Zimmermann
Die Jazzgemeinde Ystads feierte sich und den Jazz. Und das mit gutem Grund. Zum einen war es in diesem Jahr ein kleines Jubiläum, das 5. Jazzfestival in der beschaulichen Stadt an der "schwedischen Riviera", zum anderen haben es die Festivalmacher um den Präsidenten Thomas Lantz und dem Künstlerischem Leiter Jan Lundgren geschafft, in kürzester Zeit ein international renommiertes Festival in der europäischen Festivallandschaft zu etablieren. Beleg dafür sind die Herrscharen von internationalen Journalisten, die in diesem Jahr in Ystad zugegen waren. Vor allem aber war es auch wieder das Programm das überzeugte. Neben großen Namen, wie Charles Lloyd, John Scofield, Joshua Redman, Roy Hargrove, Enrico Rava, Marilyn Mazur oder Abdullah Ibrahim, waren es die "Konzerte am Rande" und ein beeindruckendes neues Format.
Denn das Festival begann gleich mit einer Weltpremiere im Hafen. Schauplatz, das Lantmännens Silo. Das Schweizer Trio Rusconi und die schwedische Vertikal-Tanztruppe Sardine Sauvage bastelten ein Jahr an dieser Performance, die sie "Listen For Heights" nennen. Eine Verbindung von Jazz, Tanzakrobatik in der Vertikalen und einer ausgeklügelten Lightshow. So sollen neue Zielgruppen für dieses Festival gewonnen werden und damit geben die Verantwortlichen ein klares Bekenntnis ab, dieses Festival sowohl weiter zu entwickeln, als auch auszubauen. Denn mit dem Lantmännens Silo, dem Marsvinsholms Skulpturenpark und dem Rådhusparken gab es gleich drei neue interessante Spielstätten, die vor allem den nicht ortskundigen Festivalbesucher anlockten.
Man kann nicht früh genug damit beginnen neues Publikum für den Jazz zu generieren, haben sich die Verantwortlichen wohl gedacht. Und so gibt es im Rahmen des Festivals auch ein Kinderprogramm mit Namen "Jazzkidz". Leuchtende Kinderaugen gab es da bei dem Konzert der Bohuslän Big Band im Theater des Marsvinsholms Skulpturpark, einem der neuen Spielorte des Festivals vor den Toren Ystads. "Emil, Pippi, Karlsson & Co", die von Georg Riedel komponierte Filmmusik der Astrid Lindgren Kinderbuch-Klassiker im Bigbandsound. Und der Komponist und Jazzbassist Georg Riedel ließ es sich nicht nehmen höchstpersönlich mit seinen 80 Jahren den Kontrabass zu bedienen. Ein Jung und Alt begeisterndes Projekt, unterhaltsam moderiert vom schwedischen Schauspieler Jens Lindvall.
Ein weiteres herausragendes Konzert gab es im Ystader konstmuseum. Da zelebrierte das Rémi Panoissian Trio gemeinsam mit Nicole Johänntgen (Saxophon) und Nicolas Gardel (Trompete) einen derart frischen, lebendigen, mitreissenden und hochenergetischen Jazz, dass es das Publikum regelrecht von den Stühlen riss. Mal Vollgasjazz, melodisch, groovend, mal berührend schöne Balladen. Tags darauf verzauberten die Franzosen Christophe Girard (Akkordeon) und Anthony Caillet (Trompete, Flügelhorn und Euphonium) das konstmuseum mit ihren gefühlvollen an der französischen Folklore orientierten Balladen.
Niemals geizt das Ystad Sweden JazzFestival mit großen Namen. Charles Lloyd z..B. überzeugte in diesem Jahr genauso wie, welch Wunder, Joshua Redman. Enttäuschend dagegen eher die Darbietungen von Abdullah Ibrahim und Roy Hargrove, der lieber seine Sideman die Arbeit machen ließ und im Stile eines Miles Davis mehr am Rande der Bühne verbrachte als vor seinem Mikrophon. Charles Lloyd hingegen, immerhin bereits 76 Jahre alt, strotzte vor Energie. Sein rockiger Bebop überzeugte vor allem dann, wenn er die Querflöte einsetzte. Und Scofield und seine Überjammer gefielen dem, an diesem Abend überraschend jungen Publikum, mit seinen groovigen, z. T. auf Samples und elektonischen Sounds basierenden Gitarrensoli. Bei Enrico Rava allerdings stand mehr ein Sideman im Focus. Gianluca Petrella war es, der beim "Tribe"-Quintet mit kraftvollen Einlagen den Ton angab.
Der Festivalleiter greift selbst in die Tasten
Auch Jan Lundgren, der künstlerische Leiter des Festivals, ließ sich, wie auch in den Jahren zuvor nicht nehmen, selbst in die Tasten zu greifen. Diesmal hatte er Grégoire Maret, Jesper Lundgaard und Axel Riel eingeladen und zum Abschlusskonzert huldigte er mit seinem Trio (Mattias Svensson (Bass) und Zoltan Csörsz Jr. (Drums) gemeinsam mit der Bohuslän Big Band unter der Leitung von Bengt-Arne Wallin schwedischen Folktunes. Dazwischen überzeugte Sinne Egg, die vor zwei Jahren noch im Per Helsas Gård auf einer Nebenbühne aufgetreten war, nun im kuscheligen Teater Ystad das südschwedische Publikum mit Standards und Eigenkompositionen ihres neuen Albums "Face The Music".
Was feinsten Vocaljazz angeht können die die Ystader Festivalmacher eh aus dem Vollen schöpfen. Neben den schwedischen Jazzvocalistinnen gibt es da eine Reihe von dänischen, die gleich vor der Haustür wohnen, denn Ystad liegt ja gerade einmal 60 Kilometer von Ystad entfernt. Daher kam auch Kristin Korb in den Per Helsas Gård. Die in Kopenhagen lebende US-Amerikanerin präsentierte am Vormittag in mittelalterlicher Kulisse einen feinen Mainstreamjazz und bediente dabei zudem noch vortrefflich ihren Kontrabass.
Die eigentliche Faszination dieses Festivals ist und bleibt aber das Gesamtpaket. Eine beschauliche Stadt mit einer sehr reizvollen Umgebung, in der einmal im Jahr ein sorgfältig ausgewähltes, vielfältiges Jazzprogramm an und in ebenfalls sorgfältig ausgewählten Spielorten stattfindet. Kein Rummel, kein Stress. Und wer will, kann sich auf die Spuren der Spielorte der "Wallander-Krimis" machen oder auch an den kilometerlangen, leicht zugänglichen Strand begeben. Genuss pur.
Und eines war in diesem Jahr auch sehr auffällig. Das Programm war vielseitiger und frischer als in den letzten Jahren. Und es gab neben den großen Namen viel Platz für nationalen und internationalen Nachwuchs. Leider mit wenig Beteiligung aus der deutschen Jazzszene. Aber dafür ragte eine ganz besonders heraus.
Das Bild der Ystad Jazz Kidz wurde von dem Kindergartenkind Elisa Danielsson gemalt.