Jazz in the City of Essen
Eindrücke vom Pfingstfestival auf Zollverein
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
‘Jazz auf Zollverein’ hätte es eigentlich heißen müssen. Denn die Musik spielt hier nicht in der City, sondern auf einem ehemaligen Zechengelände. Und das ist schon eine außergewöhnliche Location, gerade für Jazz. Dafür dürften sich wohl kaum die früher hier arbeitenden Bergleute interessiert haben. Und so ist auch vom Steiger glücklicherweise nichts zu sehen, vom Steigerlied nichts zu hören. Niemand meint sich mit Glück auf verabschieden zu müssen. Trotz massiver Präsenz der Erinnerungskultur oder gar Industrieromantik hält mit diesem Festival hier der Jazz seinen Einzug. Da kommt es auf einen Förderturm mehr oder weniger nicht an.
Im Gegensatz zum zeitgleichen Moers Festival hat man hier auf bekannte Namen gesetzt mit internationalen Stars aus USA, Deutschland, Frankreich, Schweden und den Niederlanden. 12 Konzerte in 12 Stunden an 2 Tagen, das ist schon ein hohes ‘Musikaufkommen’, das da zutage gefördert wird. Die meisten Musiker hatten schon vorher beim Elbjazz Festival und bei Jazz in the City in Erfurt gespielt.
- 12 Konzerte im Wechsel
Die Auswahl der Bands ist gelungen, allerdings fällt auf, dass sehr viele Musiker von ACT produziert und damit auf diesem Festival massiv protegiert werden. Siggi Loch war da wohl nicht weit, regionale Bands hatten keine Chance.
Auf jeden Fall bilden die Bands ein weites Spektrum des aktuellen Jazz ab, von sehr jungen Newcomern wie Manz und Osländer über inzwischen in die Jahre gekommene deutsche Bands wie Nighthawk und Jazzkantine bis hin zu Weltstars wie John McLaughlin. Auch die gewählte Reihenfolge macht Sinn, weil man nach einem Fußweg von 3 min von Open Air zur Halle (bzw. andersherum) auch musikalisch eine Abwechslsung erfährt. Das Catering ist ziemlich schmal mit klassischer ‘Pommesbude’ und Bier.
- Émile Parisien Sextet feat. Theo Croker
Olivier Le Goas als Opener, gefolgt von Joel Lyssarides und der Jazzkantine. Danach stellt Émile Parisien sein neues Album ‘Louise’ vor. Nach einem sehr melodischen Intro auf dem Sopransaxofon schließt sich der Trompeter Theo Croker an, beide mal im Duett, mal Solo. Émile Parisien spielt sichtlich angestrengt lange Läufe ohne wirklich neue Ideen, hektisch. Ist der Erwartungsdruck zu groß? Will er dem späten Coltrane gleichkommen? Viel Mühe, aber eher vergeblich: allerhand Zuschauer verlassen vorzeitig den Saal.
- Jazzrausch Bigband
Nach den Nighthawks erfüllt die Jazzrausch Bigband alle Erwartungen, die man haben kann, wenn man die Band schon einmal erlebt hat, z. B. in Freiburg. Mit Green Sun beginnt und endet das Konzert und sogar eine Zugabe ist noch drin. Perfekte Performace, fulminante Soli und krasse Lichteffekte, die vor allem über die Wandinstallation im Hintergrund (s. Foto unten) laufen. Über Licht, Bewegung/Tanz und Schall kommt hier massiv Energie rüber, die das Publikum zum Tanzen bringt, dann aber auch erschöpft nach Hause entlässt.
- Simon Oslender Super Trio feat. Will Lee & Wolfgang Haffner
Am Sonntag spielt nach Jacob Manz und Stephanie Lottermoser das oben genannte Trio. Soviel Werbung schon im Namen macht misstrauisch. Diese allseits hochgelobte Band hat mich nicht überzeugt, knallhart geschlagene Viertel sind nicht mein Fall. Wo ist nur der Swing geblieben? Simon ist zweifellos ein überragender Pianist, aber warum muss er mit seinen Keyboard-Sounds dauernd andere Instrumente imitieren? Weniger wäre da mehr.
- Youn Sun Nah
Ganz ganz anders kommt da die koreanische Sängerin Youn Sun Nah rüber. Sie strahlt Freude, aber auch Ruhe und Gelassenheit aus. Hier geht es vor allem um Melodien. Dabei kommen auch ganz ‘altmodische’ Instrumente wie Flügel, Double Bass und akustische Gitarre zum Einsatz. Ihr Stimme ist perfekt und vielfältig, sie scattet zur Tonfolge der Gitarre, setzt auch ihre Atmung ein und verfällt sogar einmal am Ende eines Stücks in die Opernstimme. Dröhnender Applaus.
John McLaughlins 4th Dimension kann danach wegen technischer Probleme nur 40 min spielen, dafür viel Bühnennebel. Und dann, erst um halb 11, Max Herre & Roberto di Gioia mit WEB MAX als krönendem Abschluss.
- Jazz in the City – Funke Mediengruppe
Die Erfurter Funke Mediengruppe, zu der auch die WAZ gehört, hat mit Jazz in the City zum ersten Mal eine Großveranstaltung in Erfurt und in Essen durchgeführt. Ob sich das gerechnet hat? Nicht gähnende Leere, aber sehr groß war die Veranstaltung nicht. Auf jeden Fall soll nächstes Jahr wieder so ein Festival stattfinden. Vorher spielt am 16. Juli die Nils Landgrens Funk Unit und am 7. Dezember die Jazzrausch Bigband, auch hier auf Zollverein.
Fotos:
links: Émile Parisien und Theo Croker, Youn Sun Nah, John McLaughlin, Joel Lyssarides, Olivier Le Goas
rechts: location, Jazzrausch Bigband, Jazzkantine, Staphanie Lottermoser, Nighthawks