Bild für Beitrag: Jazz in Serie | Finissage der Fotoausstellung 'Performing Jazz'
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Jazz in Serie

Finissage der Fotoausstellung 'Performing Jazz'

Bochum, 16.05.2015
TEXT: Ingo Marmulla | FOTO: Ingo Marmulla | Heinrich Brinkmöller-Becker

Was macht man als "Strohwitwer" an einem freundlichen Vatertagsabend? Geht man zu einer Peter Handke-Inszenierung ins Recklinghäuser Festspielhaus, oder fährt man mit dem Auto nach Bochum, um hier der Finissage „Performing Jazz“ meines geschätzten Kollegen Heinrich Brinkmöller-Becker in den „Rottstr. 5 Kunsthallen“ beizuwohnen?

Natürlich fahre ich nach Bochum! Rottstraße 5 – leicht zu finden. Die Räume befinden sich ganz in der Nähe des Bochumer Westringes direkt unter der Eisenbahnlinie, weswegen auch alle 20 Minuten die Klänge der S-Bahn zu hören sind. Eine Tafel, mit weißer Kreide beschriftet, verweist auf den Eingang und den Beginn der Veranstaltung um 20 Uhr. Die zwei geräumigen tonnenartigen Gewölbe bieten eine kühle, sachliche Loft-Atmosphäre, durchaus geeignet für eine Fotoausstellung mit avantgardistischer Improvisierter Musik. Es ist noch Zeit bis zum Beginn der Veranstaltung, ich plaudere ein wenig mit dem Percussionisten Etienne Nillesen und schaue mir in Ruhe die Bildsequenzen an:

Diese entstehen häufig aus 6 (quer-) bzw. 7 – 9 (hoch-) formatigen Bildern, die zu einem Panorama zusammengefasst werden. Brinkmöller-Becker verfolgt mit dieser Technik einen neuen Ansatz, den er mit eigenen Worten wie folgt beschreibt:

„Anders als bei den in der Jazzfotografie üblichen Porträts von Musikern setzt ‚Performing Jazz‘ den fotografischen Akzent auf die Darstellung von Prozessen beim Musikmachen. Die Bildsequenzen im kontrastreichen Schwarz-Weiß stellen Abläufe beim Entstehen und Entwickeln von improvisierter Musik dar. Die Kamera fokussiert die Körperlichkeit, die Bewegungen, die Mimik und Gestik der Künstler. Die gesamte künstlerische Performance wird mit fotografischen Mitteln als Sequenz abgebildet...

Dies Verfahren knüpft an die Vorgeschichte des Films an, bei der Eadweard Muybridge, Etienne-Jules Marey oder Ottomar Anschütz mit Hilfe fotografischer Technik Bewegungen in ihrem Ablauf sichtbar machen und als Folge von Einzelbildern Bewegungsillusion erzeugen wollten. In diesen Bildersequenzen ging es darum, die authentische Abfolge von Handlungen und Bewegungen abzubilden. Performing Jazz stellt demgegenüber den Zusammenhang von äußerer und innerer Bewegung und ihren entsprechenden Variationen bei Konzerten mit improvisierter Musik dar.“

In der Tat gewinnt man beim Betrachten der Bilder konkretere Konzerteindrücke und nimmt Bewegungsabläufe wahr, die bei klassischen Jazzporträts verborgen bleiben. Da Körperlichkeit in vielen Bereichen des Jazz oder der Improvisierten Musik ein Grundelement ist, kommt diese fotografische Sprache dem musikalischen Medium entgegen. In diesem Sinne darf man Brinkmöller-Becker zu diesem Verfahren gratulieren und gleichzeitig auf weitere Ausstellungen gespannt sein. Die fotografischen Ergebnisse sind in zweierlei Hinsicht interessant:

Erstens sehen wir bekannte Jazzimprovisatoren in Aktion, so beispielsweise in Raum 1: Sequenzen von Bill Evans, Ron Carter, Bruno Chevillon, Fred Frith, Jerome Harris ...

Zweitens erleben wir Sequenzen von Konzerten, bei denen der „Fotograf“ stärker in die Performance involviert ist, ja vielleicht sogar Teil der Jazz Performance ist und damit zum optischen Korrespondenten eines akustischen Prozesses wird. Diese Bildsequenzen befinden sich in Raum 2 und zeigen Konzertaufnahmen von Günter „Baby“ Sommer und Gunter Hampels German Trio, das in die Improvisationen den brasilianischen Tänzer Danilo Carduso mit einbezog. Hier begegnen sich Musik, Tanz und natürlich die Fotografie zu einem transmedialen Projekt.

Vorangegangen war der Finissage eine wöchentliche Verknüpfung von Live-Auftritten mit der Fotoausstellung. U.a. traten hier das Quartett SWITCHBACK, die Formation das Behaelter, die Gruppe Staub mit Serge Corteyn, Jan Klare ,Martin Thissen, oder (an diesem Abend) das Kölner Duo Hein/Nillesen mit Nicola L.Hein (Gitarre, Banjo), Etienne Nillesen (dr) auf. Letztere boten mit ihren „beweglichen Klanglandschaften“ einen gelungenen Dialog zu den Serienbildern der Ausstellung, die übrigens ab dem 10.10.2015 im Jazzclub ‚Ajmi‘ in Avignon zu sehen ist.

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