Bild für Beitrag: Jazz in Essen mit SWITCH |Nichts für empfindliche Ohren
Bild für Beitrag: Jazz in Essen mit SWITCH |Nichts für empfindliche Ohren
Bild für Beitrag: Jazz in Essen mit SWITCH |Nichts für empfindliche Ohren
Bild für Beitrag: Jazz in Essen mit SWITCH |Nichts für empfindliche Ohren

Jazz in Essen mit SWITCH

Nichts für empfindliche Ohren

Essen, 27.01.2016
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Peter E. Rytz

Blauer Nebeldunst wabert über die Bühne im Grillo-Theater Essen. Für die nächsten 80 Minuten taucht er Nils Petter Molvær und seine Mannen des Switch-Projekts in ein apokalyptische Mysterien beschwörendes Licht.

Mit Crying is okay here wiegt die Neonschrift über dem Bartresen die Konzertbesucher, bevor es losgeht, noch in Gelassenheit. Bis mit Switch der Schalter umgelegt wird.

Stahlharte, elektronisch verzerrte Riffs von elektrischer Gitarre und Bassgitarre, angefeuert durch Drum-Beats fackeln nicht lange. Sie erschüttern in kurzer Zeit den Theaterraum mitsamt seinen Zuhörern. Gewaltige Klangkaskaden bestürmen fast pausenlos Ohr und Herz. Mit physischer Unmittelbarkeit lassen sie den Resonanzraum Körper vibrieren.

Dabei beginnt Molværs mit einem traumverloren, zartfühligen Motiv. Harmonische Tonfolgen perlen aus seiner elektronisch aufgerüsteten Trompete. Schwebende Klänge mit Meditationspotential legen eine falsche Fährte. Sie sind Vorboten, die das dann einsetzende inferno totale musicale einleiten. Es ist, als wolle Molvær auch noch das kleinste Staubkorn einer Musikseligkeit wegblasen. Seine Trompete ist Blas- und vokales Intonationsinstrument in einem. Überblasene Töne, elektronisch übersteuert, neu zusammengefügt, mischt er als Loops zeitverzögert zu collagierten Raumklängen.

Der Bassist Jo Berger Myhre taucht immer wieder kniend ab. Dreht phasenweise an den Reglern intensiver, als er sein Instrument spielt. Erland Dahlen schlägt mit enervierender Vehemenz peitschend den Rhythmus vorwärts. Kraftvolle Energieschübe, die von Trommel, Becken, Snare-Drum, Bass-Drum und Ride freigesetzt werden, erheben sich zu Hör-Sturzbächen. Die ersten Konzertbesucher suchen mit in die Ohren gesteckten Fingern eine Lautstärkendämpfung.

Geir Sundstøl überführt mit der Pedal-Steel-Gitarre, like he is switching the massive attack, den Sound in lyrisch gestimmte Momente. Andererseits bringt er, wenn er die Pedal-Steel mit der hart gespannten Gitarre tauscht, das kraftprotzende Switch-Projekt wieder mit in Fahrt.

Mittelpunkt und Energiezentrum ist Molværs Trompetenspiel. Tonfolgen werden übereinander, nebeneinander und miteinander mit zugespielten und von ihm mittels eines Clipmikrofons an der Trompete erzeugten Sprachschnipseln zu Kaskaden geschichtet. Wie auf einer musikalischen Achterbahn entwickeln sich zwischen Abstoßung und Anziehung Toncollagen. In diesem Lautstärke-Sturmwind gibt es nur kurze Atempausen. Beruhigte Spielphasen, in denen man gerade dabei ist, Luft zu holen und dem Trommelfell eine Pause zu gönnen, dem Sound nach zu lauschen, werden danach sofort abrupt und unerbittlich übertönt.

Switch, nichts für empfindliche Ohren und zartbesaitete Gemüter. Switch dekonstruiert hinlänglich verlässliche Musikstrukturen und entwickelt Improvisationen, die sich in der Reihe Jazz in Essen den Mantel neuer, zeitgenössischer Musik des 20. Jahrhunderts anziehen. Switch beschwört die von ihr angestrebten radikalen Erweiterungen der klanglichen, harmonischen, melodischen, rhythmischen Mittel und Formen mittels elektronisch erzeugter Klänge. Wie viele sich an diesem Abend jenem Schwur angeschlossen haben, ist nur zu vermuten. Am Ende gab es jedenfalls reichlich Beifall.

Bild für Beitrag: Jazz in Essen mit SWITCH |Nichts für empfindliche Ohren
Bild für Beitrag: Jazz in Essen mit SWITCH |Nichts für empfindliche Ohren
Suche