Jazz in Berlin
Chester Thompson im A-Trane
TEXT: Ingo Marmulla | FOTO: Ingo Marmulla
Chester Thompson spielt im A-Trane. Bin gerade in Berlin, muss unbedingt zu diesem Konzert. Beginn 22 Uhr, müsste zu schaffen sein. Nach dem Essen ab in die S-Bahn, Ausstieg Savigny-Platz, Bleibtreustraße, Kantstraße ... Charlottenburg, schon steht man vor dem Club.
Irgendwie ist es hier im Westen Berlins anders als im Osten. Alles ist gediegener, ruhiger, gesetzter. Tatsächlich erhalten wir noch Eintrittskarten. Freundlich werden wir hinter der Theke längs zu unseren Stehplätzen geführt und auch gleich mit Getränken versorgt. Der Service stimmt! (auch während des Konzertes ...) Man hat gleich das Gefühl in einem wirklichen Jazzklub zu sein. Die Gäste: vielleicht ein Gemisch aus Stammpublikum und Touristen? Egal! Wir sind spät dran... das Konzert beginnt gleich. Ich bin total gespannt auf einen Trommler, den ich auf Zappa-Platten unendliche Male „Sofa Nr.2“ habe spielen hören.
Eine Legende ... erscheint mit einem sehr jungen Bassisten und einem Pianisten, der vom Äußeren auch zu einer Tanzkapelle in Las Vegas hätte passen können. Freakig wirkt die Band nicht. „I'm Old Fashioned “, lautet die erste (verschmitzte) Ansage von Thompson. Purer Jazz beginnt. Hätte man nicht Informationen über Thompsons Vorleben, könnte es auch einfach ein 1-A-Jazztrio sein. Der Pianist entpuppt sich als ein fantastischer Techniker hinsichtlich seiner Harmonieausdeutung und seiner melodischen Geläufigkeit, der Bassist ist ein genialer Begleiter und versierter Solist. Thompsons Ansagen haben Humor: „Der Bassist zieht seine Jacke aus! Jetzt wird’s gefährlich ..!“
Natürlich ist meine Aufmerksamkeit auf den Trommler gerichtet. Neben Eigenkompositionen (von Michael Rinne am Bass eher funky, von Joe Davidian am Piano eher hardbop-orientiert) spielt das Trio Standards: „How deep is the Ocean“ oder „Yardbird-Suite“. Thompson scherzt: „Lauter Songs meiner Großeltern...“ Die Themen sind leicht verändert, werden aber insgesamt sehr bluesig und überzeugend interpretiert. Dann kommt einer der Höhepunkte des Abends: „Black Market“. Thompson war Drummer bei Weather Report. Große Begeisterung! Für mich ist sehr erstaunlich, wie Chester Thompson beispielsweise seine 8-Takte-Soli spielt. Er hält sich nicht genau an Taktzahlen, spielt seine kraftvollen Beats auf den Trommeln und der Hi-Hat ganz nach seinem Konzept und gibt deutliche Signale zum Tutti. Überhaupt muss man sagen, dass der Meister das Schlagzeug wirklich zum Klingen bringt. Alles klingt rund, jeder Beat sitzt, ohne Anstrengung verleiht er der Musik die groovende Kraft, die man sich von einem Drummer wünscht. Kein Wunder, dass er so erfolgreich Musikgeschichte geschrieben hat, ein Genuss ihm zu schauen zu können!
Nach der Pause geht es ähnlich weiter, leider kann ich keinen Zappa-Titel mehr hören, wir müssen noch zurück zum Hotel. Und auch in Berlin fährt die S-Bahn nicht die ganze Nacht durch ...
Berlin und das Ruhrgebiet – Man könnte erwarten, dass in Berlin mehr Jazz zu hören ist. In der Tat ist das Angebot für Interessierte aber Überschaubar. Die Spielstätten haben zugenommen, beschränken sich aber immer noch auf eine Handvoll Orte. Dennoch tummeln sich hier immer mehr gute Musiker und: jeder will in Berlin spielen, auch für wenig Geld. So wird im A-Trane wirklich ständig Jazz gespielt und nicht wie in hiesigen Clubs (zwischendurch) Disco veranstaltet. Auf der anderen Seite sind wir im Ruhrgebiet auf einem sehr guten Weg. Schaut man sich den Kalender von NRW-Jazz an, so kann man feststellen, dass man jeden Tag auf seine Kosten kommt, wenn man mobil ist. Und das muss man in Berlin schließlich auch sein.