Jasmin Tabatabai und das David Klein Quartett
Ein zwiespältiger Abend
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Georg Kreisler, Kurt Tucholsky, Kurt Weill, die Puhdys, Cole Porter, Hildegard Knef, Michel Sardou, Reinhard Mey zu einem Reigen des Jazzgesangs zusammenzubringen, ist sicherlich ein etwas kühnes Unterfangen. Am Abend kurz vor dem Jahreswechsel lädt die Reihe ‚Jazz in Essen’ dazu ein. Im ausverkauften Grillo-Theater sind die Schauspielerin und Sängerin, die Deutsch-Iranerin Jasmin Tabatabai, und das David Klein Quartett in einem gemeinsamen Konzert zu erleben. Der Songabend mit dem in der Tat sehr heterogenen Ausgangsmaterial wird mit Georg Kreislers Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist? eröffnet („Die Menschen sind als Publikum das allerbeste Publikum...“) – einer wunderbaren Kritik an der Spaßgesellschaft und gleichzeitig der Titel von Tabatabais neuester CD, ihrer zweiten „jazzigen“, nach ihrem Jazz-Debüt Eine Frau im Jahre 2012, für das sie als beste Newcomerin mit dem „Echo-Jazz“ ausgezeichnet wurde. Dieses Album entstand gemeinsam mit dem Schweizer Musiker, Komponisten und Produzenten David Klein, der Jasmin Tabatabai nach ihrer Aussage zum Jazz überredete und auch für die zweite gemeinsame CD die musikalische Leitung übernommen hat.
In Essen begleitet David Klein die Sängerin mit seinem Tenorsaxophon, seine Mitstreiter im Quartett sind Roberto Di Gioia am Flügel, Davide Petrocca am Kontrabass und Peter Gall an den Drums – also in einer etwas anderen Besetzung als auf der CD.
Präsentiert werden im Folgenden mehrere Titel aus dem Frauen-Roadmovie bandits, das den Erfolg von Jasmin Tabatabai als Schauspielerin und Sängerin begründete: Another Sad Song, Catch Me, Puppet On A String mit einem ergreifend-schönen Solo von David Klein auf seinem Martin-Sax – Titel, die offensichtlich der Erwartung des Publikums im Sinne einer treuen Fangemeinde entsprechen. Der Reinhard Mey-Song Aller guten Dinge sind drei wird von der dreifachen Mutter voller offensichtlich biographisch grundierter Inbrunst vorgetragen. Der Puhdy-Klassiker Wenn ein Mensch lebt wie auch Je vole von Michel Sardou erscheinen in einem Gewand etwas glatter Bar-Musik. Eine starke Eindringlichkeit erreicht die Sängerin mit der Kurt Weill-Komposition Youkali, was dem Text über die utopische Insel als Fluchtphantasie und der Performance von Jasmin Tabatabai geschuldet ist, die nur von der zurückhaltenden Piano-Stimme begleitet wird. In anderen Stücken wie dem durch die Hildegard Knef-Interpretation bekannten Song Nur das und nicht mehr von Cole Porter oder dem persischen Pop-Song Gole Sangam bleibt der Abend in performativer Hinsicht eher schwach. Vielleicht liegt’s an der Erkältung der Sängerin, vielleicht an den zu hohen Erwartungen an das vielgelobte Multitalent, vielleicht an der Bandzusammensetzung - die gesamte Darbietung wirkt jedenfalls ein wenig angestrengt. Vielleicht resultiert die beschriebene Wirkung auch aus einer allzu homogenen musikalischen Sprache, mit der das ausgesprochen heterogene Quellenmaterial behandelt wird. So gut die einzelnen Musiker auch spielen, ihre Begleitung überführt die verschiedenen Titel allzu sehr in ein „loungiges“ Jazzidiom. Der hintergründige Witz so mancher Liedtexte will so nicht so richtig aufgehen. Wenn dann noch bei einer jazzigen Veranstaltung ein harmloser Jazzer-Witz zur Aufheiterung beitragen muss, sagt dies viel über das mangelnde Vertrauen der Protagonisten in den Unterhaltungswert und die Esprit-Tiefe der eigenen Darbietung aus. Schade, Jasmin Tabatabai hat in anderen Zusammenhängen ihr Potential anders darbieten können.
Der Abend endet mit den beiden Tucholsky-Songs Tamerlan und Anna-Luise aus dem Filmprojekt Schloss Gripsholm von David Klein und Jasmin Tabatabai. In einem Solo werden die einzelnen Musiker noch einmal vorgestellt, hier geben sie konzentriert ein Beispiel ihrer virtuosen Könnerschaft.