Jasmin Tabatabai
Die Erfindung der neuen Knef?
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Peter E. Rytz
Ob als Schauspielerin oder seit einigen Jahren auch als Sängerin, überall schlagen Jasmin Tabatabai Wellen der Sympathie des Publikums entgegen. So auch beim ersten Konzert nach der Sommerpause in der Mathias-Jacobs-Halle Gladbeck, wenn auch mit weiterhin geltenden Hygienevorschriften aufgrund der Covid 19-Pandemie. Mega-anstrengenden sei das für alle Konzertveranstalter, lässt der Macher Bernd Zimmermann von FineArtJazz vorab wissen. Aber er sei natürlich froh, dass es nun wieder losgeht.
Auch Tabatabai ist die Erleichterung, endlich wieder auf der Bühne vor einem Publikum zu stehen, anzumerken: Ihr seid da! Wie schön! Mit dem David Klein Quartet hat sie soeben die dritte gemeinsame CD Jagd auf Rehe produziert. Gladbeck erlebt die Release Party.
Soviel zum Vorspiel mit hoch gesteckten Erwartungen. Was dann allerdings musikalisch folgt, ist nur ein müder Hauch. Man wird Zeuge eines wenig inspirierten Versuchs, Hildegard Knef neu zu erfinden. Entgegen vielen Kritiken, die Tabatabai zusammen mit Klein eine zauberhafte Vielfalt attestieren, die keine stilistischen Grenzen anerkennen und dabei gern auf Kurt Weills Credo - Ich habe den Unterschied zwischen ernster und leichter Musik nie anerkannt, es gibt nur gute und schlechte Musik – verweisen, ist in Gladbeck ein Stilmix-Sammelsurium von Cole Porter bis zur Knef, von Reinhard Mey bis zum Poetry Slamer Sebastian zu hören.
Klein, angetan mit einem Pepita-Hütchen,gefällt sich vor allem in der Rolle des selbstverliebten Entertainers. Er macht den Musik-Clown als Tanzbär. Als schließlich Tabatabai - fast ist man geneigt, unvermeidbar zu sagen - das Publikum zum Mitsingen der Refrains Na, Na des Beatles-Songs Hey Jude auffordert, treibt Klein den Ulk auf die Spitze: Hey Jude, hallo Jude übersetzt er laut lachend. Das Tabatabai dabei die musikalische Linie verliert und sich in der Rhythmusmelodie vergaloppiert, ist nur noch peinlich.
So trällert es zwischen Dann tu es, sei einfach Du bis Das haut mich nicht um – aber Du, gern auch mal im Cha-Cha-Cha-Rhythmus zu Meys Lied Männer im Baumarkt: Beglückt und verrückt, Männer eben.
Von Jazz keine Spur. Jean Paul Hochstätter (dr), Olaf Polziehn (p) und Davide Petrocca (b) kleben förmlich mehr oder weniger stocksteif an der Partitur. Viel rührseliges Schwelgen, das mitunter vor allem an dezente Barmusik denken lässt. Allein Klein am Tenorsaxophon spielt und improvisiert, wenn er denn spielt und keine Mätzchen macht, mit Verve. Dass seine Musiker auch anders können, zeigen sie gewissermaßen beim Back-up, als Tabatabai sie vorstellt und sie mit Soli (allerdings ebenso vorfabriziert wie vordem) die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Musikalisch überzeugend ist Tabatabai bei der Interpretation des Titelsongs Jagd auf Rehe. Sie lässt etwas von der persischen Musiktradition und ihren Mythen ahnen. Jagd auf Rehe assoziiert den Seelenzustand von jemandem (ob Mann oder Frau lässt sich nicht sagen, da die persische Sprache kein Geschlecht kennt), der in der Liebe verletzt worden ist. Ich gehe in die Berge, nicht um zu jagen, sondern um mich singend zu läutern.
Da ist Tabatabai musikalisch und als Künstlerin authentisch. Schade, dass es das Einzige ist, was nachhaltig in Erinnerung bleibt. Das Publikum ist einer solchen kritischen Distanz abhold. Es applaudiert begeistert.