Jan Klare und Band
„Up there in orbit – the music of Earl Bostic“
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Reiner Skubowius
Freitag, 14. Januar: das 1. Jazzkonzert im Kulturrat Bochum Gerthe im Neuen Jahr. Es spielen Jan Klare & Band die Musik von „Earl Bambostic“. Trotz Corona-Auflagen war der Saal – nur 40 Plätze durften besetzt werden – relativ gut besucht.
Ich war schon oft hier, bin aber überrascht, als ich auf der Bühne eine alte Holzkiste sehe, in der sich unten ein großes rundes Element dreht (s. Foto rechts). Ist das die neue Lüftung? frage ich mich, hat das was mit Corona zu tun? Ich erkundige mich und erfahre, dass es sich um einen Leslie-Lautsprecher handelt, der zu der Hammondorgel gehört. „Die 60er Jahre leben heute wieder auf“, erklärt mir stolz der Geschäftsführer Reiner Skubowius.
- Earl Bostic
Offenbar geht es um eine Art Zeitreise, vintage ist ja im Moment angesagt und auch Earl Bostic, um den es heute Abend geht, ist ein Kind der 50er und 60er Jahre. Doch wer kennt Earl Bostic? Wahrscheinlich nur die Experten. Eugene Earl Bostic (USA, 1913 – 1965) spielte AltSaxofon und hat wesentlich dazu beigetragen den Jazz für R&B zu öffnen. Er gehört zwar nicht zu den weltbekannten Stars der Jazzgeschichte, doch berühmte Saxofonisten wie Benny Carter, John Coltrane, Benny Golson und Stanley Turrentine spielten zeitweise in seiner Band.
"Of course I am maybe one of the few musicians who like simple recurring melody patterns and in all my playing I try to keep a basic melody line in my mind and attempt to develop meaningful inversions and variations." sagte Bostic mal über seine Musik.
Denn er hat sehr oft Standards gespielt und damit vielleicht mehr Geld verdienen können als mancher Andere. Darüber hinaus hat er auch selbst komponiert und war bekannt für seine außerordentliche Virtuosität, die an Charlie Parker grenze, meint Jan dazu in seiner Einführung.
- Jan Klare und die Band
Über Jan Klare haben wir schon oft berichtet. Bald wird bei nrwjazz ein längeres Interview über seine Arbeit mit ‚The Dorf‘ erscheinen. Auch den Bassisten Alex Morsey braucht man nicht mehr vorzustellen. Er ist überregional bekannt für seinen kreativen Umgang mit dem Kontrabass, auch mit E-Bass und Sousaphon ist er erfolgreich unterwegs.
Simon Camatta
spielt heute Drums, bei der CD war es noch Michael Griener. Er hat Jazz an der Folkwang Hochschule in Essen studiert und spielt im Moment u. a. bei The Dorf mit.
Kai Weiner spielt Hammond-Orgel. Diese Orgeln sind seit Barbara Demmerlein wieder öfter im Jazz zu hören, doch Kais Orgel ist etwas Besonderes. Er benutzt als Lautsprecher eine Original Leslie-Box (s. Fotos), die ich anfangs für eine 'Kiste' gehalten habe. Erst vor kurzem hat er sie renovieren lassen. Das ‚große runde Element‘ ist ein rotierender Schallabstrahler, der einen Vibrato-Effekt erzeugt. Der typische schwebend-schwirrende Klang entsteht in der Box als Kombination aus Vibrato, Tremolo und Phasenverschiebung. Im Innern befindet sich ein Röhrenverstärker, über einen Schieberegler kann man die Töne verändern, auch ohne digitale Geräte.
Die Bambostic-CD DJ’s Nightmare ist 2017 erschienen und enthält dieselben Stücke, die beim heutigen Konzert mit fast den gleichen Musikern gespielt werden. Die Band ist schon öfter damit aufgetreten. Jans Arrangements auf der CD werden auch beim Konzert durchgängig aufrechterhalten, ergänzt natürlich durch Improvisationen, die immer wieder neu ausfallen.
Die Spielweisen von Earl Bostic und von Jan Klare sind unterschiedlich, wenn nicht sogar gegensätzlich. Mal sehen wie Jan mit seiner Band beides zusammenbringt.
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Flamingo auf Donauwellen - Disc Jockey im Orbit - Where and When?
Nach einem langen improvisierten Intro, in dem ich erst mal vergeblich versuche, Earl Bostic herauszuhören, setzt Jan mit der Melodie ein. Kai Weiners Orgel heult und wummert im Stil der 70er Jahre. Das Stück klingt recht heiter wie im Original. Mich hat Jans AltSax – auch später - an Sonny Rollins erinnert, obwohl der ja Tenor spielte.
Der Titel Earl’s Imagination ist wohl programmatisch für Bostic, da dieser - wie Jan Klare klar bemerkt – seine Titel oft „selbstreferenziell“ wählte. In diesem Stil moderiert Jan durchgängig sehr humorvoll und intelligent und steuert Details zu den Stücken bei.
Der Drummer Michael Griener spielt erst mal vorsichtig-dezent, vielfältig in der Ansprache der Drums, erst im Verlauf des Konzerts bringt er sich stärker ein.
Nur die Ballade Where or when und Flamingo wurden nicht von Bostic komponiert. Flamingo war 1951 Bostics großer Hit, der sehr oft gecovert wurde und den viele auch heute noch im Ohr haben. Die Melodie wird vorgestellt, umspielt und gibt zu weiteren ‚Ausflügen‘ Anlass. Immer wieder kommt es zu Duo-Soli, z. B. mit Kai Weiner und Alex Morsey, aber auch mit Bass und Drums.
Danube Waves hat mir besonders gut gefallen. Dass bei den ‚Donauwellen‘ nicht nicht etwa ein Bäcker die Hand im Spiel hatte, merkt man gleich an dem osteuropäischen Klang. Wenn man genauer recherchiert, erfährt man, dass es sich ursprünglich um einen Walzer des Rumänen Iosif Ivanovici handelt, Bukarest 1880. Als The Anniversary Song spielte 1946 Al Jolson in den USA das Stück und daher wird Earl Bostic es wohl gekannt haben. Das AltSax von Jan klingt hier stellenweise Tenor-ähnlich, in vielen Variationen. Spannungsbögen werden aufgebaut und ebben wieder ab, wie die Wellenbewegungen der Donau, besonders im Groove.
Nach der Pause hat sich etwas geändert. Hat die Band sich mehr in die Musik hereingefunden oder habe ich mich mehr hineingehört? Bisher hat die Band erkennbar die Originalmelodien vorgestellt, nun wird oft umgehend frei interpretiert.
Mit Disc Jockey’s Nightmare geht es weiter, das hat Bostic schon 1948 gespielt. Alex Morsey setzt zu seinen für ihn typischen Vokalisen an, die er mit dem Bogen begleitet.
Simon Camatta
ist mit einem Solo dabei, ein kurzes Zitat aus dem schottischen Auld Lang Syne am Ende des Stücks. Apollo Theatre Jump, Moon is low, Filibuster und Moon is low folgen. Wenn Kai die Hammondorgel manchmal voll aufdreht, habe ich allerdings den Eindruck, es geht weniger um das Stück, sondern vielmehr darum das Instrument vorzuführen.
Nay! Nay! Go away! singt die ganze Band sehr erfrischend wie im Original, der Sprechgesang erinnert an New Orleans. Mit der bluesigen Orgel geht’s dann aber in eine andere Richtung. Am Ende kam mir ‚Stand by Me‘ in den Sinn, da liegen die Akkorde wohl in der Nähe, auch wenn der Titel in eine ganz andere Richtung geht.
Irritiert hat mich, ich weiß nicht genau warum, das Zusammenspiel von Sax und Orgel. Die Klänge passen in meinen Ohren nicht zusammen, besonders wenn die Orgel voll aufdreht und das AltSax im oberen Bereich gespielt wird. Vielleicht auch, weil die Hammondorgel etwas Nostalgisches hat und auf die Vergangenheit verweist, das Sax dagegen mit der modernen Spielweise auf Gegenwart und Zukunft?
Bei der Zugabe Up there in Orbit wird erstmal sehr frei improvisiert, im Original von 1959 hört es sich ganz anders an. Bostic spielte ein klassisches Rock’n’Roll-Solo, das an das frühere Tenor-Solo von Paul Gonsalves 1956 beim Newport-Festival erinnert. Auch Jans Band spielt sehr schnell, vom Drummer vorangetrieben. Die Melodie klingt verfremdet, aber das ist ja wohl beabsichtigt. Auf der CD bricht dieses Stück am Ende plötzlich ab, bei diesem Konzert ist das aber nur eine Pause, aus der heraus Alex es mit dem gefühlvoll gestrichenen Bass zum Ende führt.
Es ist eine gute Idee, den weniger bekannten Earl Bostic wieder aufleben zu lassen und im 'modernen Gewand' zu präsentieren. Das erste Set hat mir besser gefallen, da die Melodien klarer erkennbar waren. Alles in Allem überzeugt mich der diffizile Klang von Jan Klares Alt, der mich mehr anspricht als das eher wuchtige Spiel von Bostic.
Das nächste Konzert im Kulturrat:
Joscho Stephan Quartett – Gypsyswing
am nächsten Samstag 22.1., 20 Uhr