„Interplay“
The New John Abercrombie Quartet im Domicil
TEXT: Ingo Marmulla | FOTO: Klaus Ziegner
Vermutlich sahen sehr viele Gitarristen gespannt dem Quartettabend eines der wichtigsten Gitarristen des Jazz entgegen. Aber nicht nur diese, sondern das prall gefüllte Auditorium des Domicils wurde für das Kommen belohnt.
Abercrombie hat Jazzgeschichte geschrieben – schon mit seinem ersten Album „Timeless“ aus dem Jahr 1974. In seinen zahlreichen Formationen und seinem Mitwirken in unzähligen Gruppen war er immer präsent. Sein letzter Auftritt in Dortmund, noch im alten Domicil an der Leopoldstraße, ist allerdings schon einige Jahre her.
Aber Abercrombie ist auch ein wenig älter geworden. Er wirkt ruhig, entspannt, aber musikalisch raumgreifend. Zwar wird er von seinen Mitmusikern kongenial unterstützt, die Impulse kommen jedoch von ihm. Die Band besteht aus den Musikern seiner letzten CD „Within a Song“, wie alle CD auf ECM erschienen, bis auf den Saxophonisten Billy Drewes, der Joe Lovano ersetzt. Am Schlagzeug überzeugt Joey Baron durch seine furiose Besenarbeit, Drew Gress liefert mit seinem Kontrabass das Fundament. Trotz elektrischer Verstärkung hören wir eigentlich eine kammermusikalische Besetzung.
Dieser große, aber auch eigenwillige Gitarrist, beherrscht das Bühnengeschehen ohne vordergründige Virtuosität zeigen zu müssen. Man hört in seinem Spiel die Tradition eines Jim Hall, aber auch die Klangvorstellung eines Wes Montgomery.
Abercrombie spielt mit dem Daumen. Daraus resultiert sein Sound, sein weicher, warmer und sympathischer Ton. Verpflichtet sieht er sich nach eigener Aussage den Innovatoren des Jazz: Sonny Rollins, John Coltrane, Ellington oder Bill Evans, den er als virtuellen Pianisten der Band vorstellt. In der Fantasie spiele dieser immer mit. Abercrombie lebe in der Vergangenheit, erzählt er uns verschmitzt, habe aber durchaus einen Blick für die Zukunft ...
Die Stücke, nach wenigen modalen Eigenkompositionen, sind eher Klassiker: Long time ago and far away, Body and Soul, Blues Connotation oder Interplay.
Letztere Komposition von Bill Evan stellt in gewissem Sinne auch das Konzept des Zusammenspiels der vier Musiker dar. Da ist nicht der hervorstechende Solist, sondern der Einzelne in der ihn umgebenden Gruppe. Das Spiel ist kontrapunktisch, polyphon. Der Solist wartet auf Antworten, die Begleitung fordert heraus. Es entsteht ein filigranes Klanggewebe in Pastelltönen. Das musikalische Material ist der Tradition entnommen, wird aber völlig neu interpretiert, bei jedem Auftritt neu geformt. „So muss es auch sein!“ bekundet er, sonst könne man auch Popmusik spielen und viel Geld verdienen ...