Bild für Beitrag: Interaktiv | Ray Andersons Treeomitree in Köln
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Interaktiv

Ray Andersons Treeomitree in Köln

Köln, 23.02.2025
TEXT: Ingo Marmulla | FOTO: Ingo Marmulla

 „Don’t care about the meaning of the name of our brand new band.  We don’t care either …“ sagte ein gut gelaunter Posaunist nach dem ersten Song des Abends. Da agierte ein sympathischer Weltmusiker auf Kölns wichtigster Jazzbühne. Dem Publikum war er in jedem Moment zugewandt - auch mit Worten: „Don’t worry. Be happy! That’s what Bobby Mcferrin says. We’re just playing our music…“

„Treeomitree“ ist eine minimale Besetzung mit maximalen Möglichkeiten. „Interaktiv“, ja, so sollte vielleicht das tragende Adjektiv dieses Berichtes sein. Eine Band, die im Grunde frei agiert, auf einander hört und entsprechend ganz frei spielt. Und bevor ich auf die Person von Ray Anderson eingehe, was biografisch gesehen bei seiner Jazzhistorie eher überflüssig ist, möchte ich mit seinen „Begleitern“ beginnen. Denn sie sind es, die den Klang- und Bewegungsteppich gestalten, ausbreiten und die Grundlage für die entscheidenden Impulse des Bandleaders sorgen. Wenn es überhaupt einen Bandleader gibt ….

Hilliard Greene am Bass und Jeremy Carlstedt am Schlagzeug (wer möge, schaue sich die beeindruckenden Biografien auf der Seite von R.A. an: https://rayanderson.org/treeomitree/) gestalten die organische Basis des Konzertes. Der Bass gestrichen, ganz ruhig, von einem Instrumentalisten, der seinem Instrument in jeder Beziehung körperlich gewachsen ist, beginnt ganz stoisch und reicht dem Schlagzeug die Hand zum Miteinander. Mit Besen zunächst, dann impulsiver auch mit Sticks kommt Carlstedt dazu. Anderson, in sich versunken, lauscht den Klängen, um zunächst punktuell auf die Geschehnisse einzugehen. Was jetzt passieret, ist bezeichnend für den gesamten innermusikalischen Zirkel des Konzertes. Auf metrischer Basis spielen Greene und Carlstedt mit der gesamten horizontalen und vertikalen Metrik des jeweiligen Tempos. Es geht in dem Gegentakt, impulsiv geht es in eine Verdopplung, in einen Swing oder in binere Spielweisen. Es gibt auf jeden Fall nur ein kurzweiliges Verweilen auf einer gleich bleibenden Struktur. Man könnte diesen musikalischen Grund durchaus mit einem Chamäleon vergleichen. Immer wechselnde Klang- und Rhythmusfarben im gleichen Gebäude des Interagierens. Hier lassen Mingus mit Danny Richmond grüßen!

Der Bass klingt ganz kräftig und bestimmend, in jeder Beziehung tragend und fundamental. Das Schlagzeug virtuos, manchmal ganz leise mit Fingerspitzen gezupft, aber auch kontrarhythmisch, mit Energie gegenakzentuiert, swingend und rockig… Ein wogendes Miteinander, aber wohlgemerkt, und das macht es dem Zuhörer leichter mit zu gehen, immer rhythmusbetont.

Konzentriert hörend, eingreifend, frei schwebend 

Ja, und dann ist da Ray Anderson. Eher zurückhaltend eingreifend, dann aber auch impulsgebend und ausschlaggebend für den weiteren Verlauf der musikalischen Entwicklung. Man achte auf die Blicke der drei Musiker:  Anderson ganz konzentriert hörend, eingreifend aber auch frei schwebend über den Aktionen seiner Mitmusiker. Greene ruhig und selbstbewusst, in gewisser Weise autonom in seiner „harmonischen“ Funktion und in seinem Tun. Dagegen ein beobachtender Schlagzeuger, der den Raum für das Tio auslotet, sucht und immer neue Wege für das Zusammenspiel findet. Ja, man muss zuhören! Aber das Zuhören wird belohnt …

„Just you, just me“ erklärt Anderson dem Publikum nach einer außergewöhnlichen Interpretation dieses Standards. „Just us!, our version. Monk called it Justice (Evidence).“  Andersons Spielweise basiert eben auch auf Tradition, aber neu gestaltet. Er steht mit seiner Spielweise in der Tradition eines Trummy Young, Jack Teagarden, Vic Dickenson, “Tricky” Sam Nanton, aber auch eines Roswell Rudd. Und wenn er in diese Tradition einmündet, kann er sich einer entsprechend durchaus „ironisch“ traditionalisierten Begleitung sicher sein. Er greift auf Growleffekte zurückt. Er benutzt diverse Dämpfer, Überblastechniken, Subtones oder Multiphonics, Zirkularatmung, Ansatzexperimente, Mitsingeffekte. Kein Ton gleicht dem anderen, alles will neu gefunden werden. Manchmal schimmert auch das Art Ensemble of Chicago durch. Ja, man musste hier zuhören. Für mich ein gewinnbringendes Musikerlebnis. Ein Posaunentrio, ziemlich frei, aber immer auch ein wenig Blues und ein Bekenntnis zum Jazz.

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