Bild für Beitrag: Ingo Marmulla Band feat. Ryan Carniaux | 60s alive im Kulturrat Bochum Gerthe
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Ingo Marmulla Band feat. Ryan Carniaux

60s alive im Kulturrat Bochum Gerthe

Bochum, 17.03.2022
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Reiner Skubowius

Am 12. März trat Ingo Marmulla mit einem Sextett im Bochumer Kulturrat im Stadtteil Gerthe auf. Da der ursprünglich als special guest eingeladene Trompeter John Marshal krank wurde, sprang kurzfristig Ryan Carniaux ein - ein Glücksfall!

Die Konzerte hier in diesem ehemaligen Zechen-Magazin haben ihr eigenes Flair. In Kirchen und Konzertsälen ist zwar viel mehr Platz, hier ist man aber ganz nah dran an der Musik und kann auch in der Pause mal einen Musiker ansprechen.
Auf dem Programm stehen vor allem Stücke aus den 60er Jahren, in denen Bläser eine große Rolle spielen: Hard Bop Stücke von Lee Morgan, Benny Golson und Clifford Brown (The Sidewinder, Whisper Not, Sandu), modaler Jazz von Wayne Shorter und Herbie Hancock (Witch Hunt, El Gaucho, Mayden Voyage), aber auch Bebop-Standards (A Night in Tunisia, Groovin' High) von Dizzy Gillespie.

Sextett

Mit einem Sextett war in den 60ern auch Art Blakey oft unterwegs, in wechselnden Zusammensetzungen. Ähnlich hören wir heute eine Gruppe von Musikern, von denen einige schon oft zusammengespielt haben, die dies aber in dieser Kombination zum ersten Mal tun.
Ingo Marmulla leitet die Band, er ist auch Redakteur bei nrwjazz, doch heute wird mal über ihn geschrieben. Geboren in Wanne-Eickel, als es diese Stadt noch gab, ist er in der Ruhrgebietsszene sehr engagiert. 2019 wurden in Recklinghausen seine Dialogues in Blue aufgeführt, ein Konzert, bei dem auf der Bühne gleichzeitig zwei Bilder gemalt wurden. In der Albumversion sind drei Musiker der heutigen Band beteiligt: Thomas Hufschmidt (Piano), Stefan Werni (Bass) und Bernd Gremm (Drums). Der Saxofonist Michael Erdmenger hat unter anderem in seinem ErdQuintett mit Bernd, in anderen Bands auch mit Ingo gespielt.
Ryan Carniaux, US-Amerikaner mit französischem Namen, lebt seit fast 20 Jahren in Europa. Er hat in der Big Band von Peter Herbolzheimer mitgespielt und mit Wolfgang Lackerschmid 'Never Leave Your Baggage Unattended' veröffentlicht. Inzwischen ist er Professor für Jazztrompete an der Folkwang Hochschule in Essen und leitet dort die Jazz-Abteilung.

Bebop – Hard Bop – modaler Jazz

Das Konzert beginnt ganz anders als erwartet. Cosimo on Trees ist eine Komposition von Ingo aus seinem letzten Album (s.o.). Ohne Bläser, recht schnell und leicht schräg mit einem rockigen Schlagzeug kommt das Stück daher.

Ganz anders wird es aber, als nun Trompete und Saxofon dazu kommen. Mit A Night in Tunisia sind wir im Bebop und hier stellt sich jeder Musiker mit einem ausgiebigen Solo vor. Ingo ‚dirigiert‘ beim Drumsolo.
Soulful, das erste Stück nach der Pause, ist wieder eine Komposition von Ingo, die – wie er sagt – „45 Jahre lang liegen geblieben“ ist und nun neu arrangiert wurde. Im Vergleich zu Cosimo on Trees klingt es melodischer, eingängiger. Interessant auch Ingos Begleitung auf der Rhythmusgitarre zum Piano-Solo.
Im Grunde besteht das Konzert aus einer Abfolge von Soli, oft eingerahmt von unisono Passagen über die Melodie. Thomas Hufschmidt am Piano steht meist für ruhiges, eher unauffälliges Spiel. Der Bassist Stefan Werni bildet mit akzentuiertem und manchmal festem Anschlag der Saiten eine Art Rückgrat der Band, manchmal auch im walking bass Modus.
Der Drummer Bernd Gremm hat mich besonders beeindruckt mit seinem unkonventionellen Solo, aber auch wenn er, z. B. bei Whisper Not, die rhythmischen Akzente des Solisten aufgreift. Michael Erdmenger hat am TenorSax einen angenehmen Sound, es wirkt allerdings einstudiert, als wenn er nach Transkriptionen spielte.
Ingo Marmulla zeigt, dass er viele Spielweisen beherrscht, von der Blues-, über die klassische Rhythmusgitarre bis hin zu modernen Formen, bei El Gaucho erinnert er mich an John Scofield. Ryan Carniaux brilliert mit seinem tollen Sound und seinem variantenreichen Spiel auf Trompete und Flügelhorn. Oft fühlt man sich an berühmte Trompeter der 60er wie Freddie Hubbard, Clifford Brown oder Blue Mitchell erinnert.

Mit Sandu, einem Blues des mit Mitte 20 gestorbenen Clifford Brown, endet das zweite Set. Im Verlauf dieses Standard-Blues verabschiedet sich jedes Bandmitglied mit einem längeren Solo, beim Drummer mit Fours (jeweils 4 Takte im Wechsel) mit der Gitarre.
Da war eine Zugabe unvermeidlich: Alone together. Ich fühlte mich unmittelbar an Art Farmer erinnert, der dieses Stück schon 1954 gespielt hatte. Nun nach fast 70 Jahren schließt sich Ryan Carniaux nahtlos an. Kompliment. Ein schönes Konzert!

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