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Inbetween Münster 2016

Mehr als nur ein Zwischenspiel

Münster, 21.01.2016
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Peter E. Rytz

Für viele Jazzfans beginnt das Jahr traditionell in Münster. Und das schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Was der Einzelne dabei mit Jazz-Musik verbindet, hat sich in den Jahrzehnten wesentlich verändert. Allein der afroamerikanische Ursprung um 1900 hat noch eine weitreichende Akzeptanz. Musik, die heute in Konzerten und Festivals mit dem Präfix Jazz angekündigt wird, ist häufig ein Mix von sogenannter Weltmusik, von volksliedhaften Improvisationen, von konzertanten Mosaiken sowie von Kompositionen und Arrangements.

Frühere, argwöhnisch gehütete und verteidigte Abgrenzung zu anderen Musikgenre ist heute obsolet. Zwischen freiem bis abgestimmtem Musizieren ist fast alles möglich. Die Experimentierfreude der Musiker kennt dabei keine Grenzen.

Das Programm von Inbetween 2016 im Theater Münster vertraute exzeptionell auf ein Zwischen. Nicht nur im Blick auf den zweijährigen Wechsel von Konzertabend und dreitägigem Festival, sondern von drei sehr unterschiedlichen Konzerten.

Mit Natalia Mateo hat die vokal dominierte, Motive aus der polnischen Volksmusik verwendende improvisierte Musik eine melancholisch gebrochene Stimme, die aufhorchen lässt. Für einen Moment scheint es so, als würde sie introvertiert der eigenen Stimme im Sound ihrer Begleitmusiker nachlauschen. Im nächsten Augenblick ver- und bedrängt ihre Stimme den verinnerlichten Ton mit eruptiven Konvulsionen. Kraftvoll türmt sich ihre Stimme zu Kaskaden auf. Vom Trompeter Gregor Lener zumeist motivisch sanft gegründet, auch da, wo es kracht, werden Mateos tonale Aufschwünge in der Klaviatur von Simon Grote behutsam aufgefangen. In den Gitarrensaiten von Dany Ahmad finden sie einen Resonanzraum, den Bassist Christopher Bolte zusammen mit Fabian Ristau an den Drums dynamisiert an Mateo zurückgibt.

Im Kontrast zum lyrisch betonten Matteo-Sound zu Beginn des Konzertabends legt sich das Orchestre Franck Tortiller zum Abschluss mit einer Hommage dedicated to Janis Joplin vehement ins Zeug: Janis the pearl. Die achtköpfige Band um den Vibraphonisten Franck Tortiller brennt ein sprühendes, Rock inspiriertes Feuerwerk ab. Dabei wiedersteht Tortiller der Versuchung, Joplin als charismatische Pop-Ikone durch eine Sängerin gleichsam auferstehen zu lassen. Mit Jacques Mahieux steht ein Künstler auf der Bühne, in dessen Gesicht der Blues seine Spuren wie eine grafische Radierung hinterlassen hat. Seine Interpretation von Joplin-Klassikern wie Move over oder Chelsea Hotel beschwört mit einem rauchig verhangenen Gesang eine von Rauschgift befeuerte Zeit, die ihn gemeinsam mit Joplin an die eigene Jugend erinnert. Joplin war nur wenige Jahre älter als Mahieux.

Inbetween, zwischen den Natalia-Mateo-Lyrismen und dem durch das Orchestre Franck Tortiller zitierenden Joplin-Vulkan, erscheint das Duo Eric Vloeimans & Remy van Kesteren in der außergewöhnlichen Besetzung von Trompete und Harfe zuerst wie von vokalen Unter- und Überschwängen eingezwängt. Mögliche Bedenken wischt Vloeimans schon mit dem ersten Ton weg. Wunderbar leichte Motive hören sich wie ein klassisches Parlando an. Eine Steilvorlage für van Kesteren, der sich in der Klassik-Barock-Welt genauso zuhause fühlt wie in der zeitgenössischen Improvisations- und Experimentalmusik. Miniaturen von Federico Mompou, die mit ihrem minimalistischen Gestus eine meditative Atmosphäre à la Eric Satie beschwören, hat van Kesteren für Harfe klangschön arrangiert. Sie sind neben Eigenkompositionen dezente Einwürfe, die Vloeimans zu einem dialogischen Wettstreit herausfordern. Improvisationen entladen und überkreuzen sich. Sei es als ob van Kesteren von den Harfensaiten Tonfolgen wie Pfeile in Vloeimans‘ Trompetenrohr sendet oder umgekehrt, Vloeimans Töne in die Saiten der Harfe haucht, als würde er sie liebevoll kosen, gemeinsam gelingt ihnen ein vom Publikum fast andächtig belauschtes Konzert.

Inbetween 2016 war nicht nur irgendwie ein Zwischenspiel, sondern eines, das hörenswerte Akzente setzte.

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