In memoriam Johannes Bauer
Vier Soundkollektoren auf kreativer Baustelle bei Collect the Sound
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Aus der Not macht das Kunstmuseum Bochum eine kreative Tugend: Wegen des notwendigen Umbaus zeigt das Museum neben einem kleinen Teil des Eigenbestandes die Ausstellung „Baustelle Kunstmuseum: Sammeln, Sammeln, Sammeln“ – eine Schau mit zum Teil skurrilen Sammlerstücken von Alltagsgegenständen aus privaten Sammlungen. In diesen verfremdenden Kontext platziert sich in der Reihe ‚Klangbilder’ ein Konzert mit vier führenden Repräsentanten der europäischen Improvisationsmusik: mit dem Posaunisten Conny Bauer, mit Luc Houtkamp an den Saxophonen und der Klarinette, Dieter Manderscheid am Kontrabass und dem Drummer und Perkussionisten Martin Blume . Das Konzert firmiert unter dem Titel „Collect the Sound“ – ein wahrhaft sinniger Bezug zur Ausstellung, sind doch die vier Ausnahmemusiker sicherlich in ihrer musikalischen Biographie wahre Experten der Klangproduktion und des kollektiven Sammelns von musikalischem Material. So auch im Bochumer Konzert, das dem im Mai diesen Jahres verstorbenen Posaunisten Johannes Bauer – dem Bruder von Conny - gewidmet ist. Der Verstorbene hat mit den vier Musikern seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Konstellationen gespielt, zuletzt übrigens 2013 mit der Formation ‚Freeter’ im Kunstmuseum (s. Review in nrwjazz).
Scheinbar nebeneinander musizieren die vier Musiker: geblasene Linien auf der Posaune, tastende Töne auf dem Tenorsaxophon, gestrichene auf dem Kontrabass, einige „Tupfer“ auf dem Drumset – so beginnt das Konzert.
Zunächst dominiert dabei die Posaune, bis Luc Houtkamp auf seinem Tenorsax expressive Phrasen bläst – fast zurückhaltend begleitet von kurzen Läufen auf dem Kontrabass und Martin Blume s ständig wacher Perkussion. Conny Bauer verstärkt die Dynamik des Zusammenspiels. Die zwei Rhythmusinstrumente gehen einen energischen Dialog ein, der nach kurzer Zeit in ein ruhigeres Fahrwasser überführt wird, in den sich wieder Bauers Posaune einbringt.
Eine Glocke erinnert mehrfach wieder an die gemeinsame Interaktion, an der sich dieses Mal Houtkamp mit hell klagender und fordernder Klarinette, begleitet von schnellen Phrasen am gestrichenen Kontrabass, beteiligt. Die Posaune erzählt unaufhörlich ihre Geschichten, sekundiert von satten Bassläufen und einem subtilen Spiel Martin Blume s. Conny Bauer erzeugt langgezogene modulierte Töne und Obertöne, in die sich Luc Houtkamps schreiendes Saxophon mit einbringt. Das Zusammenspiel steigert sich mit einer fast melodiösen repetierten Phrase der Posaune zu einem dynamischen Finale des ersten Sets aller Mitspieler.
Das zweite Set beginnt mit einer nervösen Suche der vier Musiker, sie sammeln förmlich das Material ihrer Mitspieler, greifen es auf und übersetzen es in die eigene Instrumentalsprache. Luc Houtkamp spielt mit seinem Stritch, einem geraden Altsaxophon, in höchster Lage fetzige Phrasen. Allmählich kommt das Quartett mit ganz unterschiedlichem Einsatz der jeweiligen Instrumente zu einer Ruhephase, aus der dank Martin Blume s Drive sirenenartig geblasene Dynamiken wieder herausführen. Es folgt ein gänzlich unbegleitetes Solo von Dieter Manderscheid an seinem 5-Saiter, aus dem sich ein kleiner Dialog entwickelt, der auf einer raffinierten Basslinie von Posaune und Kontrabass basiert und von diesen bis zum finalen Höhepunkt vorwärtsgetrieben wird.
Die Zugabe bringt die vier Improvisatoren noch einmal zu einer ruhigen, energetisch dichten Klangcollage zusammen.
Der kurze und kurzweilige Konzertabend wird seinem Titel voll und ganz gerecht, zu erleben ist in der Tat ein sensibel und fein-kultiviertes Zusammenspiel von raffinierten Soundtüftlern. Ihrer farbigen und fesselnden Suche nach einem gemeinsamen Klangabenteuer mit ihren musikalischen objets trouvés hätte Johannes Bauer sicher auch gefallen.