Improvisationskunst vom Feinsten
Frames & Terrains im Kunstmuseum Bochum
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Ja, Corona ist nicht vorbei, aber in den letzten beiden Jahren hat sich im Kulturbereich – bei den Protagonisten und beim Publikum – etwas angestaut, das mit Macht nach außen drängen will. Und genau das ist in dem wahrhaft hochkarätigen Konzert im Kunstmuseum Bochum in der Reihe ‚Klangbilder‘ zu spüren: Das Quartett Frames & Terrains öffnet eine gewisse Schleuse und lässt eine Energie frei, die einen förmlich umhaut – und begeistert.
Das Quartett mit Tobias Delius (ts, cl), Achim Kaufmann (p), Dieter Manderscheid (b) und Martin Blume (dr, perc) hatte bereits 2016 am gleichen Ort einen fulminanten Auftritt – kein Wunder, gehören die vier Musiker zu den gefragtesten und subtilsten innerhalb der Szene der improvisierten Musik. Das aktuelle Konzert bestätigt dies wieder einmal und zeigt: Der Bandname ist nun wirklich irreführend, von Grenzen ist im Kunstmuseum wirklich nichts zu spüren, im Gegenteil: Grenzenlose Spielfreude, ebensolches Powerplay, ein schier überbordender Einfallsreichtum in immer neuen Wendungen kennzeichnen das Spiel des Quartetts. Über weite Strecken des 1-stündigen Sets entwickeln die vier einen hochenergetischen Klangraum. Das druckvolle Saxophon korrespondiert mit erratischen Läufen des Pianos, unterstützt von rhythmischen und klanglichen Kaskaden von Bass und Schlagzeug.
Spieltechniken und Klangideen vereinen sich...
In den Sequenzen, in denen die Dynamik heruntergefahren wird, generieren mal ein Bass-Solo, mal ein feinsinniger Dialog von Piano und Bass ein fokussiertes Spiel, in das die Mitspieler wieder einstimmen und in einen neuen Flow überführen. Überhaupt: Faszinierend, wie es Frames & Terrains gelingt, bei einer stupenden technischen Brillanz und Souveränität der Einzelmusiker mit ihrem breiten Spektrum an Spieltechniken und Klangideen einen stimmigen Gesamtsound des Quartetts zu erzeugen. Kein Wunder, dass das Publikum durch diese Harmonie des eigentlich Disharmonischen, durch die wundersame Geschlossenheit der Musik in den Bann gezogen wird. Verblüffend ist, wie etwa fernöstlich anmutende Klänge, wie eine kräftig geblasene bluesige Klarinetten-Einlage, eine fast songartige Elegie auf dem Tenorsax zu einem stimmigen Gesamtsound synthetisiert werden. Dies gilt auch für die Zugabe, in der Tobias Delius aus seinem Sax zunächst ein schrilles Pfeifen und diverse Sprachgeräusche hervorzaubert, was von den Mitmusikern zu einem wundervoll dichten Sound verwandelt wird. Ja, Frames & Terrains kann süchtig machen, hoffentlich kann man das Quartett bald wieder erleben.