Improvisation goes Belcanto

Gerne und ausgiebig wird der Terminus "Singen auf dem Instrument" bemüht. Wenn dieses Prädikat auf einen Musiker ganz besonders zutrifft, ist es der norwegische Saxophonist und Sänger Hakon Kornstad. Als Sänger und Saxophonist ganz pur und solo zelebrierte Kornstad in der Reihe FineArtJazz auf Schloss Horst beides im Diskurs mit seinem sensibel eingesetzten Loop-Gerät.

Hakon Kornstads Sound auf dem Tenor ist lyrisch-atmend und meditativ. Die rezitativischenen Bögen, die sein Spiel gerne spannt, könnten oft einem Bach-Suitensatz entstammen mit seinen bevorzugten harmonischen Sequenzierungen und dieser spirituellen Tiefe, die bei diesem Norweger ständig präsent ist. Vielen Jazz-Projekten aus Norwegen, unter anderem mit Bugge Wesseltoft, Eivind Aarset, Sidsel Endresen und auch Pat Metheny hat er damit eine prägnante Stimme gegeben.

In Amerika hatte Kornstad in jüngerer Zeit ein besonderes Erweckungserlebnis, wie er seinem Publikum zu Beginn des zweiten Sets verrät: In New York besuchte er ausgiebig die Oper und war dort von der Darstellungslust, diesem theatralisch-musikalischen Storytelling extrem angefixt. Und auch die Magie des klassischen Gesangs ohne Mikro, dafür mit kunstvoller Technik und unendlichen Möglichkeiten der Verfeinerung wirkte für ihn wie ein Weckruf, dies dann auch direkt in New York bei einer Opern-Gesangsdozentin zu studieren. Die Folge davon ist nicht zuletzt ein Trio mit Frode Haltli am Akkordeon und dem Bassisten Mats Eilertsen, wo er zum ersten Mal als klassischer Tenorsänger in Erscheinung trat.

Auf Schloss Horst, vor einem dankbaren Publikum, wandert er in seinem Solo-Recital verblüffend leichtfüßig ins Opernfach hinüber, welches er aber verblüffend stimmig in ein lyrisches Jazz-Idiom zu integrieren weiß. Kunstlieder von Jean Sibelius, Opernarien von Bizet und Gluck und so mancher schwelgerischer Ausflug in den neapolitanischen Belcanto fühlen sich ausgesprochen wohl in einem sensiblen Miteinander mit repetitiven Saxofonphrasen, die er gerade zuvor auf dem Loop-Gerät "abgelegt" hat, so dass sie ihm wie ein imaginäres "Orchester" zur Seite stehen. Über das Pedal gesellt sich manchmal noch eine Bass-Figur dazu - all das reicht bestens aus, um den großen, festlichen Saal zu füllen, der früher ein offener Innenhof des Renaissance-Schlosses aus dem 16. Jahrhundert war. Manchmal sind es nur die Klappengeräusche, die eine zarte perkussive Textur erzeugen, die aber den Groove eines Stückes deutlich genug definieren, derweil sich seine weitgespannten Linien auf dem Sax in polyphoner Auffächerung ausbreiten. Ökonomisch genug bleibt der Einsatz der Loop-Technik allemal, so dass es hier nie wie ein Gimmick wirkt...

Kreativ konträres Material zu etwas Neuem, Ganzen zu formen, das ist Hakan Kornstads große Kunst, mit der er an diesem Abend sein Publikum hypnotisiert. Dieses kommt zu den Konzerten der FineArtJazz-Reihe, um Neues zu entdecken, den eigenen Horizont zu erweitern. Hakon Kornstad hatte an diesem Abend solche Erwartungen mal wieder mit Bravour erfüllt.

Vorschau

Solche Qualitäten dürften bei einem weiteren, besonderen Solorecital bestehen: Am 7. Oktober gastiert die in Köln lebende Sängerin und Pianistin Tamara Lukasheva auf Schloss Lüttinghof. Dabei stehen die Songs ihres neuen Albums "Gleichung" im Zentrum stehen. Viele davon beruhen auf romantischer Lyrik von Rilke, Brentano und Novalis - dies geht aber mühelos einher mit zeitgenössischem Jazz und Stileinflüssen aus der ukrainischen Heimat von Tamara Lukasheva .

Infos und Tickets

www.publicjazz.de