Imaginäres Theater
Stefano Bollanis Trio beim Klavierfestival Ruhr
TEXT: Stefan Pieper |
Auf höchstem künstlerischen Reifegrad musizieren ist das eine – mit einer charmanten optischen Bühnenpräsenz das Publikum für sich zu gewinnen das andere. Wenn beides zusammenkommt, hat sich der Besuch eines Konzertes gelohnt, blickt man hinterher auf einen unvergesslichen Abend zurück. Und genau dies ist dem italienischen Pianisten Stefano Bollani ein großes Anliegen. Der äußerst vielseitige, aus Florenz stammende Tastenvirtuose gastierte im Rahmen des Klavierfestivals Ruhr im Recklinghäuser Ruhrfestspielhaus – zusammen mit seinen beiden dänischen Mitstreitern Jesper Bodilsen am Bass und dem Schlagzeuger Morten Lund.
Die drei schöpfen aus dem großen Reservoir der Jazzhistorie eine höchst gegenwärtige gemeinsame Sprache, in der sie in reibungsvolle Dialoge treten, aber auch symbiotisch in ihrem Spiel miteinander eins werden. Vor allem letzteres! Bollanis von extremer Wendigkeit und leuchtender Klarheit getragenes Tastenspiel ist ohne Zweifel Weltklasse – und er muss sich dabei noch nichtmals spektakulär aufdrängen. Da schimmern einschlägige Prägungen durch: Etwa die noble Rasanz eines Oscar Peterson oder eine entspannte Abgeklärtheit, wenn es um ein harmonisches Farbenspiel geht, das auf den großen Bill Evans hindeutet.
So arbeiten sich die drei an vorwärtsstürmendem Modern-Jazz ab, aber Bollanis Trio favorisiert aktuell auch ganz stark die brasilianische Bossa-Rhythmik, in der viele Arrangements dieses Abends sehr atmosphärisch lässig gründeten. So viel zur Musik. Die andere Komponente an diesem Abend bediente das Visuelle. Bollani, der den vollen Körpereinsatz liebt, nimmt oft die Klavierbank als Rhythmusinstrument hinzu – alle drei lassen sich zu gekonnten Vokaleinlagen hinreißen und manchmal wird es dabei auch pantomimisch. Da durfte sogar einmal die Musik ganz verstummen. Nichts mehr außer ein Raunen im Publikum und dann immer mehr Lacher sind zu vernehmen, als die drei Musiker auf der Bühne plötzlich ihre Bewegungen "einfrieren", um allein mit Gesten und Grimassen wie in einer stummgeschalteten Zeitlupensequenz die Situation des Musizierens pantomimisch auf die Schippe zu nehmen. Das war ganz großes imaginäres Theater!