Im Nebel
Tripclubbing mit Electronic ID im Kölner Stadtgarten
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Der Kölner Stadtgarten verschreibt sich aktueller Musik in seiner ganzen Vielfalt - und das reicht weit über den Terminus „Jazz“ hinaus, für den der Stadtgarten normalerweise eine Adresse ist! Also werden hier auch für die Neue Musik zeitgemäße Formate entwickelt. Die Reihe „Tripclubbing“ ist - mitkuratiert von der Kölner Philharmonie - so ein zartes Pflänzchen, wenn es darum geht, mehr oder minder komplexe künstlerische Avantgarde, mehr oder minder verquere Experimentierlust runter von den Elfenbeintürmen und raus aus den vielbeschworenen „Nischen“ zu holen. Das geht ungefähr so: Man beginne zu späterer Stunde am Abend, locke mit ansprechendem Drumherum auch das junge Ausgehpublikum in eine Spielstätte. Tripclubbing ist damit auch zu einem unkonventionellen Rahmen für Uraufführungen geworden.
Das Ensemble „Electronic ID“ zeigt an diesem Abend auf, wie man künstlerische Gegenwart zukunftsfähig macht. Hier vereinen sich Studierende verschiedener Hochschulen, sogar unterschiedlicher Disziplinen innerhalb der Hochschule. Jazz, Pop, Neue Musik - und dies aus Folkwang und von der Kölner Hochschule gleichermaßen - liefern die „Manpower“ für ein vielseitiges, in verschiedenen Besetzungen auftretendes Ensemble.
Aber erst mal sorgt zur Einstimmung der Elektronikkünstler und DJ Julian Stetter für trancige Elektroklänge. Dabei fasziniert vor allem der Aspekt von Live-Improvisation. Als dann sich immerhin acht Ausführende von Electronic ID verschiedene Kompositionen aus der Feder ihrer Altersgenossen uraufführend zu einem latent surrealen Happening vereinen. Rollenerwartungen an Musiker und Instrumente situationskomisch zu hinterfragen ist dabei unterschwelliges Anliegen. Oft spielt die Musik gerade dann, wenn die Akteure auf der Bühne nichts machen. Elektronische Zuspielung ist das Zauberwort. Eine heiter-naive Popmusik-Figur schlägt Kapriolen in Johannes Kreidlers „Stil iJ“. Die Ausführenden auf Blockflöte (Florian Käune), Schlagzeug (Arturo Uribe Portugal) und Klavier (Felix Knoblauch) lassen sich hier allenfalls zu angedeuteten Minimalgesten hinreißen. Die von Ole Hübner programmierte Klangregie setzt auf kaleidoskopartige Zersplitterung von scheinbar vertrautem – etwa Sprachfetzen, die im Abwärtsglissando auf Klaviersequenzen zustürzen.
Alles bleibt skizzenhaft, sehr in sich versunken und verbreitet dadurch eine umso eigenwilligere Aura. Ein wütend auftrumpfendes Spiel mit Gesten aus Jazz und Rock eine Komposition von Matthew Shlomowitz. Matthias Schuller zelebriert in einem Solostück für extrem verzerrte Posaune (Solist ist der Komponist selbst) den „Tod eines klassischen Instruments“, so der Titel seiner aktuellen Komposition. Harsches Tonmaterial an der Grenze zum Geräusch negiert auch hier jede Rollenfestschreibung dieses Blechblasinstruments. Suggestiv und hypnotisch wird es in Niclas Thobabens „Camp object“. Ausgiebig herangezogene Debussy-Einspielungen geben der ansonsten eher spröden Performance ihre Sinnlichkeit zurück.
Claude Debussy hat eine unmittelbare, auch in heutiger Gegenwart kolossal wirkende Klangmusik geschaffen. Die eingesetzten verfremdenden Audiozuspielungen betätigen und überhöhen diese Wahrheit. Sinnliche Tongirlanden und Ganztonskalen doppeln, überlagern, verbiegen sich. Auch die eingespielten Bilder suggerieren eine gewisse Vagheit: Ein Mädchen in einem Korridor. Suchend. Irgendwann jemand findend. Eine Kussszene. Im neuen Stück „care/less“ von Philipp Krebs trötet, wirbelt, schabt es auf akustischen Instrumenten. Auch die elektrischen Ströme generieren Verzerrungen und Missklänge, die mal statisch auf der Stelle stehen, als wäre die Störung Programm.
Man ist irritiert, fühlt sich manchmal verloren in diesem spröden Ideenlabyrinth, hat am Ende dieses Konzertes mehr Fragen als Antworten im Kopf. Am Rande einer dadaistischen Komik rangiert der Dauerzustand von Bewegungslosigkeit auf der Bühne, da meist nur bestimmte einzelne Spieler etwas darzubieten haben und dazu manchmal auch noch Trockeneisnebel wabert.
Das ganze wirkt unfertig, skizzenhaft und irgendwo auch un-perfekt. Was zählt, ist die Experimentierlust mit Zuständen, an denen ein Publikum partizipiert, das wohl kaum aus „Neue-Musik-Spezialisten“ besteht. Und als Belohnung für so viel aufmerksames Partizipieren dreht Julian Stetter schließlich wieder an den Reglern: Psychedelische, raffiniert in Echtzeit sich verändernde Flächenklänge und rhythmische Patters, die aus dem Elektro kommen, entlassen in die Nacht.
Am Donnerstag, 28. Januar. spielt Electronic ID in kompletter Besetzung beim „Jazz against the Machine“ - Festival im Kölner Arttheater!