Horst Hansen Trio
Kolvenburg
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Die Intellektuellen unter uns strapazieren gerne das Modewort vom „Narrativ“. Dahinter verbirgt sich der uralte Wunsch, eine Geschichte erzählt zu bekommen. Dass man damit jedes Publikum für sich gewinnt, demonstriert das „Horst Hansen Trio“ seit nunmehr fast zehn Jahren – und bot eine Neuauflage seiner Kunst auf der grünen Wiese vor der Kolvenburg. Die musikalischen Farben im „Horst Hansen Trio“ sind derweil so bunt wie die Socken der fünf, in denen sie auf der kleinen Livebühne vor der Kolvenburg herum wirbelten.
Sie fühlen sich von einem alten Krefelder Jazz-Urgestein und Tanzmusiker namens Horst Hansen inspiriert, den sie auf ihrem neuen Album auch in raren O-Ton-Dokumenten zu Wort kommen lassen. Bei allem schrägen Humor ist dies ein warmherziges Statement dafür, wie wichtig der lokale Faktor beim eigenen musikalischen Werdegang ist. Vor allem, wenn hier eine so prägende Institution wie der Jazzkeller Krefeld Heimstätte war und regelmäßig immer noch ist, wenn das Horst Hansen Trio dorthin zurückkehrt. Zum Beispiel von ihrer großen Japantournee? Eine Platte, die „live in Japan“ heißt, darf auch ruhig mal in der Schweiz aufgenommen worden sein. Denn die ironische Überspitzung einschlägiger Hype-Attribute gehört zur künstlerischen Erzählung dieser Musiker ohne Schuhe, deren Lügengeschichten auch immer sowas charmant „ehrliches“ anhaftet...
Genug zum Überbau, kommen wir zur Musik: Denn die hat an diesem Sommernachmittag vor der Kolvenburg viel zu sagen! Die fünf beherrschen ihre Instrumente – und wie! Es lebt eine tiefe gemeinsame Bandchemie, die sich beständig weiter entwickelt. Der neue Trompeter bringt eine neue Farbe und Gewichtung ins Spiel: Weniger Rock, dafür mehr Jazz. Aber es wäre kein „Überjazz“, wenn das eine das andere ausschließen würde. Alle Resultate der neuesten musikalischen Erkundungen fließen ohne Filter ein: Gleich zu Beginn legt der Trompete mit einer flammenden Beboplinie los. Bass, Schlagzeug und Synthesizer zimmern einen hiphopartigen Groove untenrum, der vielleicht schon im nächsten Moment zu stilsicher kredenztem Swing mutiert. Es treibt mal latinmäßig voran, dann wird im Reggaegroove gechillt, und wenn alle gemeinsam in die Vollen gehen, kommt gerne ein Bigband-Swing dabei heraus, der im nächsten Moment zu heißem Progressive Rock mutiert oder herrliche vintagemäßige Tanzmusik-Remineszensen offenbart. Trompeter Otto (eigentlich Linus Klitzing) und Saxofonist Manfred (alias Lukas Weber) sind wohl „die“ Traum-Kombination, wenn sie gemeinsam solieren und fantasieren. Keyboarder Hans-Dieter Zimmermann (bürgerlich Carsten Hackler) waltet wie ein echtes Klangfarbenchamäleon auf Fender Rhodes, fetter Hammondorgel, psychedelischem Synthesizer. Und Schlagzeuger Eberhard (alias Till Menzer) überbietet sich zusammen mit Bassist Heinz (eigentlich Sebastian Ascher) ohnehin als hellwacher rhythmischer Verwandlungskünstler. Letzter übernimmt dabei so manche solistische Aufgabe des Gitarristen, der im Horst Hansen Trio Geschichte ist. Dass das ganze auch durch keine noch so abgedrehte Standup-Comedy aus den Fugen gerät, braucht keiner weiteren Erwähnung. War die Technik-Panne mit dem Mikro ein Zufall oder doch geplant? Die Sprüche sind urkomisch, spontan, die Bühnenpräsenz vor allem des Saxofonisten hat Rampensau-Qualitäten, die Frische und Spontaneität der Musik ist sensationell, vor allem, wenn sprühender Humor als ständig hochgespannte Triebfeder wirkt. Schließlich bedanken sie sich beim Publikum fürs Mitmachen und Teilhaben mit einer herrlich schrägen Mitsing-Einlage.
Das ganze hat sich längst weit herum gesprochen. Japan ist de facto zwar wohl noch in weiter Ferne, aber wenn jetzt alles gut geht, spielt mit dem „Horst Hansen Trio“ bald eine der frischesten, unterhaltsamsten Jazzbands aus NRW in Berlins hipper Berghain-Kantine.
Aktuelle CD
Horst Hansen Trio:
Live in Japan
jazzhaus records 2020