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Hommage an die Schönheit

Masaa in der Schwarzkaue

Herten, 25.06.2020
TEXT: Peter E.Rytz | FOTO: Stefan Pieper

Tiefes, befriedigtes Durchatmen des Machers der Fine-Jazz-Art-Konzerte Bernd Zimmermann in der Schwarzkaue Schlägel & EiseninHerten: Die Konzerte sind schon lange kein Geheimtipp sind. Nach drei Monaten Corona-Zwangspause wieder ein Live-Konzert! Immerhin kommen die rund 80 Konzertbesucher aus 22 Städten kommen, resümiert Bernd Zimmermann. Das ist mehr als nur eine nüchterne Feststellung, sondern eine nachhaltige Bestätigung für eine außergewöhnlich ambitionierte Konzertreihe. Fine Art Jazz kann sich auf sein Publikum verlassen.

In ähnlich euphorisierter Weise atmet Rabih Lahoud, der Sänger der Ethno-Jazz Gruppe Masaa, aus. Endlich wieder auf der Bühne zu stehen, gemeinsam mit den Zuhörern zu hören und zu fühlen, lässt ihn in einem Freudenschrei jubeln. Der Song Sawianaan (zusammen) übernimmt eingangs dieses Glücksgefühl zwischen laut und leise, zwischen Traum und Wirklichkeit, als würde Lahoudmit dem Trompeter und Flügelhornisten Marcus Rust, dem Schlagzeuger Demian Kappenstein und Reentko Dirksauf der Double-Neck Guitar die musikalischen Welten von Orient und Okzident miteinander verbinden.

Lahoud, aufgewachsenen mit den Gesangstraditionen der aramäisch- arabischen Maqams als auch mit der syrisch-maronitischen Liturgie, fortgesetzt mit Tonsatz-Studien sowie Komposition und Gehörbildung in Europa, verfügt über einen lyrisch brillant schimmernden, wohlakzentuiert tremolierenden, schlicht meditierenden Tenor. Er erzählt, wie er in den Schlaf- und Gute-Nacht-Liedern seiner Mutter einen tiefen Ruhepunkt gefunden habe, während draußen vor der Tür im Libanon der Bürgerkrieg tobte. Diese emotionale Geborgenheit, die die Musik bietet, trägt ihn in seinen Konzerten nicht nur mit Masaa, sondern in verschiedenen klassisch intendierten und improvisierten Konzerten.

Lahouds sich mit schwebender Zartheit entfaltende, mitunter im Falsett gestimmte Stimme trägt Rustin eine schier unendliche, traumverlorene Höhe, die Dirks‘ enigmatischen Gitarrenklang verzaubert und Kappenstein sonor kommentiert. Das Schreien und Schluchzen der Erde in einer imaginären Stadt widerhallt in Massas Spiel melancholisch nachdenklich. Die Klangvielfarbigkeit kommt aus einem Universum, das jeder einzelne Musiker sich selbst erschlossen hat und sich im Masaa-Sound mit souveräner Selbstverständlichkeit vereinigt.

Rusthat während seiner Zivildienstzeit in Bangalore (Indien) eine Liebesbeziehung zur Musik dieser Gegend begonnen. Dirks, von Kindheit an mit Musik aufgewachsen, inzwischen vertraut mit Klassik wie gleichermaßen mit Pop-World-Music, gestaltet einen nachhaltigen, für jeden Titel adäquaten Resonanzraum. Kappenstein hat das Drum-Handwerk und die Improvisationskunst bei Günter Baby SommerundEric Schäfer, beide auch Grenzgänger musikalischer Traditionslinien, gelernt. Das von ihm mit entwickelte Klang-Projekt Invisible Drums im Deutschen Bundestag referenziert seine musikalischen Erkundungen der Welt.

Wohltuend anders als häufig in Konzerten mehr oder weniger sonderbare bis alberne Kommentierungen zwischen den einzelnen Titeln zu ertragen sind, gelingt es Lahoud, die Musik mit Worten zu einer Einheit von Klang und Information zu verbinden: „Wenn viele Menschen Schönheit nicht nur sagen, sondern auch meinen, kann es nur gut werden.“Selbst die ebenfalls oft schon geteilte Peinlichkeit eines Vorsprechens vor und mit den Zuhörern kommt mit Lahoud nicht für den kleinsten Moment auf. Das arabische Wort für Schönheit Challa (?) lässt eher Erinnerungen an Goethes Gedichtzyklus West-östlicher Divan und die Märchen aus 1.001 Nacht anklingen, als das es romantizistisch vernebelt. Im Dialog von Stimme und Flügelhorn, wie in dieser Hommage an die Schönheit, findet Masaa sich immer wieder in Duetten, Terzetten oder im Quartett narrativ wispernd als auch impulsiv beschwörend zusammen.

Mitunter gewinnen Lahouds Zwischentexte eine philosophische Tiefe mit verblüffend klarer Einfachheit: „Wenn man sich vorstellt, dass man ganz alleine wäre, würde man das gar nicht merken. Man würde sich nicht einsam fühlen, weil es keinen Gegensatz dazu gäbe. Dann würde man auch nicht sprechen, nicht singen.“ Changierend zwischen Sehnsucht und Erfüllung der Sehnsucht, vertraut Masaa auf Lahouds vokale Willenskraft, auf eine leise Kraft, die alles verändern kann.

Im Titelsong der in diesem Jahr erschienenen CD Irade zelebrieren Dirks und Lahoud einen mythischen Klangzauber, der im französisch gesungenen Quand le soleil brille je redeviens un enfant alle Musiker vereinigt. Es ist, als ob Masaa – arabisch übersetzt eine abendliche Plauderstunde, die leicht und unbeschwert hin und her geht - mit weit geöffneten Armen die ganze Welt umarmen möchte.Eine Stimme, die man nicht greifen, nicht begreifen kann, wird zu einem Wunder, wie Lahoud sich an seine Kindheit erinnert. Dieses Wunder trug und trägt ihn sowie Masaa sicher auch weiterhin durch schwierige Zeiten.

22.06.2020

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