Hildener Jazztage - Body & Soul
Tragende Rolle der NRW Musiker
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Jazz ist Musik für Herz und Seele, ohne Unterschiede bei Hautfarbe, Alter und Geschlecht zu machen. In diesem Sinne versteht auch Peter Baumgärtner , künstlerischer Leiter der 21. Hildener Jazztage (24.-29.Mai 2016), das diesjährige Festival „Body & Soul“ als nachdrückliches Plädoyer für Weltoffenheit und Toleranz. Neben internationalen Größen, sind in Hilden auch die jungen Talente und die regionale Szene immer zu ihrem Recht gekommen. Besonders erfreulich ist es, dass Konzerte von Musikern aus der besonders lebendigen und kreativen Jazzszene in NRW in diesem Jahr eine tragende Rolle auf dem Festival spielen.
Das Festival wird mit dem Sonderkonzert des Caroll Vanwelden Quartetts eröffnet (siehe Bericht:
http://nrwjazz.net/jazzrepor/2016/carollvanweldenquartetthildenerjazztage/).
Auf dem ersten regulären Festivaltag am 25.5. im Saal der Musikschule Hilden werden alle Konzerte von NRW Musikern aus Köln und Umgebung gespielt.
Das Kölner Piano-Gitarre-Duo Rainer Böhm und Norbert Scholly eröffnet den Abend, mit rhythmisch-melodiösem Kammerjazz. Böhm und Scholly gehören zur europäischen Spitzenklasse und haben dies in Hilden wieder unter Beweis gestellt. Mit der Uptempo Nummer “Dance in Seven“ eröffnen sie furios, ein wahrer Wettlauf zwischen Gitarre und Piano wird entfesselt. Dann nehmen sie das Tempo zurück und spielen virtuos feine melodische und rhythmisch interessante Miniaturen. Es gibt Stücke mit brasiliascher Musik oder mit Einflüssen von Kenny Wheeler und in der Zugabe den Klassiker “Georgia On My Mind“. Die meisten Stücke stammen aus ihrer sehr gut besprochenen CD “Juvenile“.
Auch die nächste Band ist ein Duo aus zwei Virtuosen aus dem Rheinland: Martin Sasse am Klavier und Marcus Bartelt an Baritonsaxophon und Flöte. Besonders spannend ist die Besetzung mit einem Baritonsaxophon, das außerhalb einer Big Band nur selten zu finden ist. Sasse und Bartelt haben ihr Programm der Musik von Thelonius Monk gewidmet.
Die dritte Band des Abends ist das Jens Düppe Quartett, ebenfalls in Köln beheimatet. Nach dem Bebop der 50er wird das Publikum mit einem Schlag wieder in die Jetztzeit katapultiert.
Die Musiker kommen auf die Bühne und noch während sie ihre Plätze einnehmen beginnt Frederik Köster mit einem Trompetenintro, Jens Düppe setzt sofort mit dem Schlagzeug ein, gefolgt von Christian Ramond am Bass und Lars Duppler am Piano. Das Quartett stellt seine 2015 in Sardinien eingespielte CD “Anima“ vor. Jens Düppe und sein Quartett gehören zu den innovativsten Jazzformationen in Europa.
Der Donnerstag findet traditionell im Park von Haus Horst statt, hier dominieren die Musikerinnen (siehe Bericht:
//hildener-jazztage-greetje-und-gjertrud-als-besonderer-stimmklang-am-feiertag).
Am Freitag war die Firma QQ Tec Gastgeber. Im Mittelpunkt des Abends stand das Fischbacher Trio mit der amerikanischen Sängerin Alita Moses. Die charmante junge Sängerin aus New York hat das Publikum mit ihrer Stimme schnell gewonnen. Sie singt Songs von Gershwin bis George Benson. Walter Fischbacher, der ebenfalls in New York lebt, am Piano und Keyboard, Petr Dvorsky am Bass und der Schlagzeuger Andy Winter sorgen mit ihrem Arrangements und Improvisationen für hochkarätige Unterhaltung. Eröffnet wurde der Abend von den Nachwuchsjazzern des Conrad`s Quintett: Conrad Noll, Bass, Jan Klinkenberg, Piano, Thomas Esch, Schlagzeug, Daniel Filbert, Tenorsaxophon und David Heiss, Trompete. Alle Bandmitglieder studieren noch in Köln. Das Programm der Gruppe besteht vor allem aus Stücken von Oscar Pettyford. Es ist zwar verwunderlich, dass so junge Musiker sich wieder dem Bebop zuwenden, aber ihre Performance war bemerkenswert. Sowohl die Einzelleistungen der jungen Musiker, als auch das hervorragende Zusammenspiel haben das Publikum für die junge Band eingenommen. Die beiden ausverkauften Konzerte hat der WDR mitgeschnitten.
Der Samstag gehört der Internationalen Jazznacht in der HIldener Stadthalle. Richard Bona, der in den USA lebende Bassist und Sänger aus Kamerun ist der Stargast des Festivals. Die Los Angeles Times schreibt über ihn: “Imagine an artist with Jaco Pastorious’s virtuosity, George Benson’s vocal fluidity, Joao Gilberto’s sense of song and harmony, all mixed up with African culture. Ladies and gentlemen, we bring you Richard Bona!” Mandekan Cubano heißt das aktuelle Projekt von Richard Bona, mit dem er in Hilden auftritt. Kubanische Musik jenseits von Buona Vista Social Club. Bona erzählt in seiner afrikanischen Muttersprache Geschichten, die von tanzbarer afro-kubanischer Musik begleitet werden. Das Publikum in der ausverkauften Stadthalle ist mit `Body and Soul` bei der Musik von Richard Bona und seinen Musikern.
Aber Peter Baumgärtner setzt nie einseitig auf große Namen. So wurde der kubanische Abend von einer NRW All Starband eröffnet. Acht Kompositionen des in Hilden lebenden Gitarristen Axel Fischbacher , die Elemente des Spätbarock in den Jazz integrieren, bilden zusammen die „Fabry Suite“ (2010). Sie ist Wilhelm Fabry (1560-1634) gewidmet, dem in Hilden geborenen berühmten Wundarzt und Wegbereiter der modernen Chirurgie. Die Gruppe „The World Is Not A Disc“ besteht aus Axel Fischbacher , guit/komp, Matthias Bergmann , trp/flgh, Christoph Grab, sax, Thorsten Heitzmann,trb, André Nendza , b, Steve Grant,dr, Peter Baumgärtner ,dr, Ulf Stricker,drs. Neben den klassischen Jazzinstrumenten, Gitarre, Trompete, Saxophon, Posaune und Bass kommen drei Drumsets und elektronische Sampletechnik zum Einsatz.
Sicher einer der ungewöhnlicheren Acts des Festivals, aber deshalb auch einer der spannendsten.
Mit der Gruppe “Little Planet“ des Bassisten Emanuel Stanley geht der Abend in der Stadthalle mit viel Soul zu Ende.
Der Sonntag im Park der Capio Klinik beginnt am Mittag mit einer weiteren “NRW Allstarband“, der Gruppe Beam, bestehend aus: Filippa Gojo , voc, John-Dennis Renken, trp, Katrin Scherer, altosax/clar, Stephan Mattner , tsax / flute, Wolf Schenk, bass trb, Roman Babik , key, Andreas Wahl , guit, Sebastian Räther , eb/sequenzer, Nils Tegen, dr. Auch Beam gehört in die Kategorie „Fern ab vom Mainstream“, hier werden alle Genregrenzen gesprengt. Jazz trifft auf Rock und Pop, aber auch auf Minimal und Zeitgenössische Musik. Eine weitere sehr spannende NRW Großformation auf dem Hildener Jazztagen.
Acoustic Rhythm feat. Joscho Stephan mit
Sebastian Gahler
, ep,
Nico Brandenburg
, b und
Thomas Kukulies, dr/perc. Der Gitarrist Joscho Stephan sorgt für Latinjazz, aber auch Beatles Songs und alte Standarts gehören zum Programm.
Den Abschluss im Park macht das Stephan Becker Trio feat. Kenny Wesley. Kenny Wesley ist bekannt für seine hochenergetischen Auftritte und seine vier Oktaven umfassende Stimme. Durch seine elektrisierende Bühnenpräsenz und Improvisationsfähigkeit genießt er in den USA als Jazz- und Soulsänger hohe Anerkennung. Der Washingtoner Musikkritiker Natan Press nannte Kenny Wesley den „spannendsten Künstler seit Prince.“
Wesley tritt mit dem Stephan Becker Trio auf: Stephan Becker am Klavier, Joscha Oetz am Kontrabass und Thomas Esch am Schlagzeug. Ein hochkarätiges Klaviertrio aus Köln, dass zur europäischen Spitzenklasse gehört.
Für den Ausklang des Festivals sorgt am Abend im Fabry Museum das Trio des Düsseldorfer Pianisten Gregory Gaynair, dessen Wurzeln in Jamaika sind.
Die Hildener Jazztage mit ihren vielen Konzerten, auf denen Musiker aus NRW auf höchstem Niveau ihre Musik darboten, haben gezeigt, dass die Jazz Szene NRW europaweit und sogar weltweit eine Spitzenrolle in Sachen Jazz einnimmt. Dank an Peter Baumgärtner und sein Team für die Organisation der großartigen Konzerte. Es spricht für das Festival, dass viele Konzerte ausverkauft waren, aber die Veranstalter sollten für 2017 unbedingt über größere Auftrittsmöglichkeiten nachdenken. Wenn bei einem Konzert 60 Personen auf der Warteliste stehen und nicht in die Halle können, obwohl sie einen Button oder einen Festival Pass haben, ist das für die Betroffenen frustrierend. Es kann auch nicht angehen, dass man zwei Stunden vorher erscheinen muss, um noch Einlass zu bekommen.