Ein empfindsames Ganzes
Hilde spielte ein überragendes Releaskonzert
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Das Release-Konzert von Hildes neuer CD im Domicil zog das Publikum mit vielen unerwarteten Erlebnissen in seinen Bann. Wer nicht dabei war, sollte sich einen der weiteren Livetermine nicht entgehen lassen. Entweder am Freitag, den 12. April in der Jazzschmiede Düsseldorf oder am Samstag, den 13. April im Lokal Harmonie Duisburg.
Kompliment erstmal an Angelika Steger und Frank Scheele vom domicil-Verein für die wertschätzende und kompetente Anmoderation dieses Konzertes. Die studierte Musikjournalistin Angelika Steger holte etwas weiter aus, setzte Bezüge zur Entwicklung der Neuen Musik im 20. Jahrhundert und ihren Kultstätten, wie etwa den Donaueschinger Musiktagen. In dem ganzen schwang auch etwas "Vorwarnung" mit, dass es hier durchaus fordernd und etwas sperrig werden könnte, aber auch mit dem Appell, dass es doch immer darum gehe, das Feuer weiter zu reichen und nicht die Asche anzubeten, wie es Gustav Mahler forderte. Für die Band Hilde gibt es auf jeden Fall keine Grenzen mehr zwischen improvisierter und komponierter Gegenwartsmusik, in der auch empfindsame Poesie einen zentralen Platz hat.
Ein beeindruckender Konsens
Marie Daniels (voc), Julia Brüssel (v), Emily Wittbrodt (vcl) und Maria Trautmann (tb) geben sich im domicil von Anfang an der Sache hin. Lange improvisierte Linien, getragen von Vokalisen und überraschend aufblitzenden, improvisierten Partikeln – aus denen sich schließlich, energischen Atemstößen gleich, das Thema des ersten auskomponierten Stückes heraus schält. Beeindruckend ist schon hier der Konsens, mit dem die vier Musikerinnen jede noch so feine Regung gemeinsam tragen. Beeindruckend ist der Konsens, mit dem die vier Musikerinnen dies alles in jedem Moment intuitiv gestalten. Deswegen klingen die Stücke auch schon wieder ganz anders, wie sie teilweise auch schon in vielen Livekonzerten eine Vorgeschichte hatten. Das geräuschhaft perkussive Koustouxjax entfaltet live im domicil noch deutlich mehr vehementen Druck. Die Hymne an das Leben "New Born" bildete nicht den allerletzten Abschluss, sondern fand in dem sanften „River“ einen sanften Epilog zum Rundenkommen. Das Publikum war hypnotisiert und spendete nach einem Moment des Verharrens umso befreiter langen Beifall.
Miteinander eins
"Wir fühlen uns in dieser Musik wie ein gemeinsamer Körper. Der Grundgedanke eines organisch zusammenwachsenden Ganzen war übrigens auch die Idee beim Bandnamen Hilde", erläuterten die Bandmitglieder hinterher im Gespräch. Hilde hieß übrigens auch die Großmutter der Cellistin Emilie Wittbrodt, die ihrerseits eine musikalische Karriere anstrebte, was aber aufgrund diverser, wohl auch gesellschaftlicher Gründe damals nicht zustande kam. Die künstlerische Weiterentwicklung, die sich im neuen Album wiederspiegelt, ist konzeptionelle gewollt, wie Marie Daniels weiter ausführte: "Unsere Musik hat sich weiterentwickelt, seit Improvisation und Komposition keine gegensätzlichen Welten mehr sind. Während wir früher fast nur frei gespielt haben, transkribieren wir zunehmend viele unserer Improvisationen. Daraus entstehen komplexe Geschichten und schließlich feste Stücke."In denen aber – siehe oben- auch immer wieder viel neues, unvorheresehbares, unwiederholbares geschieht. Vielleicht wäre das ja auch mal was für Donaueschingen!
Freitag, 12.4. Jazzschmiede Düsseldorf
Samstag, 13.4. Lokal Harmonie Duisburg