Highlight-Konzert im domicil
John Scofield Trio feat. Steve Swallow & Bill Stewart
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Am Anfang eines kleinen Festivals – die Rede ist von den vierwöchigen 21. Jazztagen im Dortmunder domicil – von einem Höhepunkt zu sprechen, ist natürlich so gewagt wie unfair gegenüber den noch folgenden Musikern. Damit müssen die Veranstalter jedoch leben und können dies sicherlich auch, wenn sie das John Scofield Trio programmieren und als Top Act promoten und damit eine sichere Fangemeinde adressieren. Geladen war mit John Scofield (g), Steve Swallow (e-bass) und Bill Stewart (dr) ein Weltklasse-Trio des Jazz, ein Trio, das schon Jahrzehnte miteinander spielt und in jeder Nuance der Improvisation einen „eingespielten“ Eindruck hinterlässt. Bei einem solchen Spitzenact verwundert es nicht, dass es „restlos ausverkauft“ ist, wie Michael Batt vom Kulturbüro Dortmund in seiner Begrüßung anmerkt.
Und die Fangemeinde wurde vom ersten Ton an nicht enttäuscht. Zu erleben war ein Feuerwerk an Spielideen, Scofields Spiel auf seiner Ibanez-Gitarre ließ bei jedem Stück die ganze stilistische Vielfalt heraushören, die die musikalischen Spurenelemente und Gene im Jazz und bei dem Ausnahme-Gitarristen ausmachen: Ob Blues, ob Rock, ob Cole-Porter-Standard, R&B, Funk, Fusion, Soul, Straightahead, Swing, Bop... eine stilistische Zuordnung des Ausnahme-Trios wird angesichts des kunstvollen Amalgams schlicht sprach- und hilflos, Scofield verarbeitet in seinem zum Teil hyperschnellen, immer hoch virtuosen, harmonisch und rhythmisch und klanglich überreichen Zauberwerk alles, was man auf sechs Saiten an musikalischen Einflüssen der letzten Jahrzehnte zusammenbringen und in eine eigene Idiomatik umsetzen kann. Die solistischen Höhen-Flüge zeigen eine ausgereifte Bandbreite von kantablen Songelementen bis zu psychodelischen Effekten und kleinen Klanggewittern. Sco bedient sich sehr wandlungsfähig seiner unterschiedlichen Effektkistchen, die Effekte sind dabei immer dem ästhetischen Ziel der einzelnen Stücke angemessen. In seiner - ansonsten völlig zurückhaltenden - Anmoderation von The Low Road weist Sco launig darauf hin, dass man ihm lieber das Mikro entziehen und ihn stattdessen Gitarre spielen lassen möge. Er hat recht - es folgt eine groovig-virtuose Version, die auf der CD this meets that noch um eine Bläser-Sektion verstärkt wurde. Im Live-Konzert zeigt sich gerade in der Konzentration auf das Trio die kammermusikalische Meisterschaft der drei Musiker: Die kleine Besetzung ermöglicht eine auf das ästhetisch Wesentliche skelettierte Kunst, das Zusammenspiel der drei ist ... der Begriff ‚kongenial’ ist in der Jazzpublizistik so abgegriffen, dass er sich hier verweigert. Wie hier die Drei in einer filigranen und feinsinnigen Schönheit interagieren, ist schlicht genial. Steve Swallow an seinem 5-saitigen semiakustischen E-Bass ist ein vertrauter Begleiter Scos - im Duo und im legendären Trio mit Adam Nussbaum in den 70- und 80-er Jahren, seit über zwei Jahrzehnten mit Bill Stewart an den Drums. Sein rhythmischer Puls, sein Groove, seine gitarrenartigen solistischen Ausflüge, sein spezifischer Sound sind unverkennbar „Swallow“, sein unaufdringlich eindringliches, bestimmt-straightes sanfte Bass-Spiel sind schlicht eine Sonderklasse. Gleiches gilt auch für Bill Stewarts hochsensibles, mitunter kurz ins Brachiale ausbrechende Drummen.
Dem Trio gelingt es, im Publikum verschiedene Reaktionen der Empathie zu erzeugen: Die Musik ist teils mitsingfähig, tanzbar, groovig, lyrisch, meditativ, kunstvoll versponnen. Das Konzert zeigt nicht unbedingt innovative Weiterentwicklung im Jazz-Idiom, statt dessen „klassische“ Meisterschaft von Ausnahme-Musikern in einem Ausnahme-Trio – ein Highlight.