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Heraus aus der kommunikativen Einbahnstraße!

Pablo Held meets Johanna Summer im Loft

Köln, 16.12.2020
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: screenshots

Aus der Not heraus entstehen neue Wege, um das Medium des Livestream-Konzertes bewusst und kreativ einzusetzen. Das heißt vor allem, mit interaktiven Möglichkeiten einen Ausweg aus der kommunikativen Einbahnstraße zu finden. Zwar fehlte auch im Kölner Loft das Publikum und damit der Szenenapplaus für besondere Momente in der Musik – und die gab es im Duokonzert zwischen Johanna Summer und Pablo Held zuhauf!

Aber die Möglichkeit, online Fragen zu stellen und spontane Kommentare abzuschicken, wurde genutzt und erzeugte doch ein gewisses Community-Gefühl. Den Eindruck einer tiefen inneren Übereinstimmung geben Johanna Summer und Pablo Held auf ihren Flügeln ab. Beide kennen sich noch nicht lange und haben von einer ausgiebigen Probe im Loft abgesehen nur einmal kurz zusammen gespielt. Aber vielleicht ist es sogar die Spannung der Spontanbegegnung, die das pianistische Feuer der beiden in dieser Stunde zum äußersten treiben soll!

Künstlerische Augenhöhe zwischen dem erfahrenen Jazzpianisten aus Köln und der vielgefragten Newcomerin, die gerade ein Sololbum auf ACT vorgelegt hat, herrscht ohnehin vom ersten Moment an. (Im Loft hat Johanna Summer ja auch schon ihr vielbeachtetes Soloalbum "Schumann-Kaleidoskop"vor einem Jahr aufgenommen.) Das Koordinatensystem für diesen Abend hat vor allem Pablo Held abgesteckt. Eigenkompositionen, aber auch große Nummern von Ralph Tower und Kenny Wheeler sind präsent, aber sie haben allenfalls „empfehlenden“ Charakter – und lassen viel Raum, damit Johanna Summer und Pablo Held im Spiel ihre eigenen Ideen verhandeln, sich einigen, Prozesse fließen lassen und die Klangfarbe des Moments verfassen.

Das verdichtet einen intensiven Strom aus vielen expressiven Zuspitzungen, auf die Spitze getriebenen rhythmischen Muster, treibenden Parts, die sich verzahnen und miteinander reagieren. In fliegendem Wechsel tauschen die beiden ihre Rollen, geben einander Raum für die individuelle solistische Entfaltung. Mit einer lässigen Souveränität, die an andere, legendäre Duo-Begegnungen gemahnt, aber die hier hier trotzdem etwas ganz neues hervor bringt. Dass das pianistische Niveau der beiden grandios anmutet und von der Spontaneität der Begegnung nur noch weiter angestachelt wird, braucht hier kaum noch einer Erwähnung.

Neben den Klavierhockern stehen Laptops. Laufend werden Kommentare und Fragen aus dem Publikum eingespielt. Und das Publikum will es wissen! „Wie viel von dem Gespielten ist abgesprochen und was ist hier völlig frei?“ Pablo Held macht den Prozess anschaulich, wenn er hier das Wort „morphing“ - ein Begriff für künstlerische Techniken, die auf so etwas wie “Verformen” hinaus laufen. Also eine Art fließender Übergang. „Könnte ihr auch mal etwas ganz freies, Spontanes spielen, wo eben kein klar definierter Tune zugrunde liegt?“ Und ob!

Eine reduzierte Tonfolge wird spontan in den Raum hinein geworfen, fast einem Cluster gleich- was im folgenden wie eine DNA für immer freier sich verästelnde Duo-Improvisationen wirkt. Johanna Summer und Pablo Held geben jeweils stufenweise mehr hinzu und bereichern dieses Anwachsens, bleiben aber einer Grundstruktur, auf die sie sich im Echtzeit geeinigt haben, treu. Disziplin als Basis zur Freiheit! Nach dieser kühnen, fast neutönerisch wirkenden freien Improvisation, wechseln die beiden die Farbe – jetzt entsteht etwas Lyrisches, Weiches daraus: Eine Nummer von Kenny Wheeler lässt in samtige Klangbäder eintauchen. Chromatische Rückungen wie sanfter Wellenschlag, auf dem vier Hände auf zwei Flügeln imaginären, meditativen Gesang entfalten... Worauf es am meisten in einem Duospiel ankommt, fragt jemand. Dass es möglichst dreidimensional sei, fomuliert Johanna Summer eine von mehreren Prioritäten. Wie man denn in der ganzen wilden Rhythmik noch „die Eins“, also eine klar definierte Zählzeit ausmachen kann? Johanna Summers Antwort ist einfach, birgt aber zugleich den Schlüssel dafür, wie Jazz entsteht: Immer den Downbeat erfühlen und von diesem ausgehen. Dadurch entsteht nun mal Jazz.

Spürbar freuen sich Johanna Summer und Pablo Held Spaß über so viel Neugier und viele geäußerte subjektive Wahrnehmungen: Die Rhythmische Kraft hat jemanden an einen Tango erinnert - fast würden diese vereinigen Klaviere wie ein einziges großes Bandoneon wirken. Jemand anders ist hin und weg von der pulsierenden Anschlagsfinesse: “Ihr habt wieder klargestellt, dass Klaviere doch Perkussionsinstrumente sind.” Als wenn hier „barocke Fugen ins Swingen geraten“ zieht jemand das Fazit. Beleg dafür, dass ein gutes Jazzkonzert immer auch eine Neudefinition scheinbar fester Begriffe ist. Am meisten Gewicht hat ein sehr kurzer, einfacher Kommentar – gerade in diesen Zeiten: In dieser Musik lebt – Frieden!

Das Konzertvideo ist auf dem youtube-Channel vom Loft jederzeit abrufbar: https://www.youtube.com/watch?v=12hHNPQUbW4

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