Heidi Bayer
Virtual Leaks im Stadtgarten
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: screenshots
Heidi Bayer spielte mit ihrem Quartett am letzten Montag im Kölner Stadtgarten. „NICA live“ ist dort fester Bestandteil des Konzertangebots, diesmal dort wohl als das vorerst letzte Konzert im Stream-Format.
Lila-bläuliches Licht, leichter Bühnennebel, unisono langgezogene Töne, aus dem sich weitere Variationen ergeben. If it helps heißt das erste Stück, helfen soll wohl die Schokolade, aber die ist hier nicht nötig. Rhythmisch routiniert macht sich Heidi Bayer mit ihrer Band auf den Weg. Sie sagt die meisten Stücke an und spielt Trompete und Flügelhorn. Über ihr vor einem Jahr erschienenes Album Virtual Leak ist vor kurzem bei nrwjazz eine Rezension erschienen. Wie auf bei CD spielt Heidi heute frei und eigenständig, sehr melodisch mit einem warmen Ton.
Heidi ist NICA Artist seit 2020. Das NICA artist development wird von der Landesregierung NRW gefördert und bietet herausragenden Musikerinnen und Musikern aus NRW aus den Bereichen Jazz und aktuelle Musik eine Plattform zur künstlerischen Profilierung und Professionalisierung. Seit 2019 läuft es als Pilotprojekt im Europäischen Zentrum für Jazz und zeitgenössische Musik am Stadtgarten Köln.
Wie viele MusikerInnen in NRW hat Heidi an der Folkwang-Hochschule in Essen studiert. Sie spielt Trompete in Big Bands wie dem Subway Jazz Orchestra, dem Essen Jazz Orchestra oder dem Fuchsthone Orchestra, aber auch in
Janning Trumann
s Nonett und in den Bands von Shannon Barnett,
Stefan Karl Schmid
s und
Sven Decker
s. Im Quartett Virtual Leak ist sie selbst die Bandleaderin.
Mit No Twist no turn gehts weiter im Konzert. Diese Komposition des Alt-Saxofonisten Johannes Ludwig bietet viel Gelegenheiten zu wechselnden Soli und Duetten, bei denen alle vier Musiker zu ihrem Recht kommen. Mit eindringlichen basslines beginnt das dritte Stück, Something Different wird es wohl sein, über 10 Minuten ein sehr lebendiges Wechselspiel voller Improvisationen.
Um Musik besser zu verstehen, suche ich oft nach Parallelen. Heidis klangvolles Spiel auf dem Flügelhorn könnte z. B. an Kenny Wheeler erinnern. Aber im Duett mit einem Saxofon? Da war Wheeler eine Gitarre, z. B. die von Bill Frisell, wohl lieber. Chet Baker (tp) und Lee Konitz (as) haben zusammen 1974 eine Live LP herausgebracht, doch das ist für modernen Jazz kein Maßstab mehr, weil die beiden sich noch stark an vorgegebenen Harmonien orientieren. Interessanter sind da Enrico Rava (tp, flh) und Lee Konitz, die 1997 das Album L’Age Mür herausbrachten. Auch wenn sie stilistisch nicht auf der gleichen Wellenlänge sind wie Heidis Band, so scheinen sie mir ihr in Bezug auf die ‚Freiheitsgrade‘ im Umgang mit Harmonien ähnlich zu sein.
Mit dem siebten und letzten Stück Eifel Blues klingt das Konzert nach einer Stunde aus. Kein Blues, aber sentimental, wieder lange Töne, manchmal wie Klagen, die vom Drummer massiv untermalt werden. Schnelle Läufe auf dem Sax, die von der Trompete wieder ‚eingefangen‘ werden bis zum abrupten Schluss.
Heidis noch jüngere Musikerkolleginnen Lisa Wulff (bass) und Karl Degenhardt (drums) bekommen hier die Chance ihr Können zu präsentieren. Beide nehmen diese Chance wahr, denn sie beschränken sich nicht auf die Rolle von Sidemen, sondern treten durch versierte Soli in den Vordergrund.
Insgesamt, ich schrieb es schon in der Rezension: Gute Musik, nicht Mainstream, nicht Beyond, moderner Jazz im besten Sinne!