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Harmonie und Provokation

36. Südtirol-Jazzfestival

Bozen, 26.07.2018
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Tim Dickesen, Südtirol Festival

Es war diesmal ein Festival der Gegensätze. Musikalisch mal bis an die Grenzen gehend provozierend, mal unendliche Harmonie versprühend. Auch das Wetter war in diesem Jahr wenig berechenbar. Gleich mehrere Konzerte wurden von aufziehenden Regenwolken bedroht, bei anderen knallte die Sonne erbarmungslos. Die Temperaturen wechselten von 14 Grad bis hinauf zu 36 Grad.

Beim 36. Jazzfestival dominierten in diesem Jahr die skandinavischen Musiker. Allen voran als Artist in Residence der finnische Saxophonist Pauli Lyytinen, der mit den unterschiedlichsten Formationen auftrat. Er eröffnete das Festival gemeinsam mit Musikerinnen und Musikern aus der Europaregion Tirol und „Gästen“ aus Nordeuropa und beendete es mit einem fulminanten Konzert am Langkofel mit sieben Schlagzeugern aus Schweden, Finnland, Österreich und Norwegen.

Eine der Entdeckungen des Festivals war die estnische Sängerin und Pianistin Kadri Voorand. Mit dem Bassisten Mihkel Mälgand begeisterte sie das Publikum mit Stimmakrobatik, feinem Pianospiel und verspieltem Treiben an ihren elektronischen Effekten. Dabei strahlt Voorand eine mitreißende Spielfreude aus, die - wie sie selber meint - auch von dem unfassbaren Ort auf dem Vigilius Mountain Resort, einem preisgekrönten 5-Sterne-Hotel oberhalb von Lana mit Blick auf die über 2500 Meter hohen Ifinger und Hirtzer, befeuert wurde. (Estland schafft es mit dem Haanja-"Höhenzug" auf gerade mal 318m). Hinreißende selbst komponierte Balladen, verspielte akrobatische Improvisationen mit willkürlich eingestreuten Jazzstandard-Fakes und jede Menge unterhaltsame elektronische Effekte mit einer Stimme, die in der Lage ist alles zu singen, was es zu singen gibt.

"Verrückte" Jazzfans und Schicki Micki

Eine besonders erfreuliche Entwicklung zeichnet sich beim Publikum ab. Immer mehr suchen den Jazz und verbinden damit einen berauschenden Urlaub in diesem paradisischen Landstrich. Vor allem in Nordrhein Westfalen scheint sich dieses wohl verrückteste Jazzfestival herumgesprochen zu haben. Weniger erfreulich ist aber auch die Zunahme von "Konzertbesuchern" denen weniger am Dargebotenen als am Gesehen und Gesehen werden liegt.

Herausragende Formate zum Nachmachen

Wein und Jazz oder Jazz und Wein - seit langem schon eine, für Viele gelungene Kombination des vollendeten Genusses. Das Konzert mit "The Wine Composer" setzt da noch einen drauf. Hier wird die Nase ins Weinglas gesteckt, dann der Wein verkostet und letztendlich musikalisch interpretiert. 150 Weine hat Tuomas Turunen, den viele auch als Pianist des Emil Brandqvist Trio kennen, schon in der Nase und auf dem Gaumen gehabt. Auf dem Festival standen diesmal Müller Thurgau, Sylvaner, Pinot Grigio, Kerner und Gewürztraminer vom Pacher Hof auf dem Programm. Alle Interpretationen konnte das Publikum durch eigene Geschmacksproben unmittelbar nachvollziehen. Ein Event mit einem komplexen Bouquet bei dem man die Musik nicht nur hören sondern auch schmecken konnte.

Ein weiteres Highlight folgte im Museum für zeitgenössische Kunst, dem Museion in Bozen. Hier kam es zu einem Aufeinandertreffen von Verneri Pohjola - Mika Kallio, die eine Stunde lang, beeindruckt von der zeitgenössischen Kunst aufs Feinste improvisierten. Erweitert wurde das Konzert mit einer anschließenden Führung durch das Museum.

Endlich wieder Feltuner

Nach einem Jahr Pause kam das Südtirol Jazzfestival wieder auf die Feltuner Hütte. Die Jausenstation liegt sonnig auf 2.046 m Höhe. Von der Sonnenterrasse hat man eine herrliche Aussicht auf die umliegende Bergwelt, vom Weltnaturerbe der Dolomiten über die Brentagruppe bis zum Ortlermassiv. Hier war solch ein Konzert, dass man sich in einem entspannteren Rahmen gewünscht hätte. Immer wieder richtete sich der Blick, und damit die Aufmerksamkeit auf den bedrohlich wirkenden Himmel. Die Lars Andreas Haug Band ließ sich davon keineswegs beeindrucken. Grooviger Jazz mit Tuba und Kontrabassklarinette sowie eine feine Brasssection bestehend aus Trompete und Gesang begeisterte das in Liegestühlen verweilenden Jazzpublikum.

Ein Steinbruch bei Kastelruth war die atemberaubende Kulisse für das Konzert von Maria Faust Sacrum Facere. Ruhige, fast elegische Musik des Bläsersextetts mit Klavier verzauberten diesen ruhigen Ort. Da wird die Einmaligkeit solcher Events spürbar. Eine Musik, die man an diesem Ort so nicht wieder hören wird vor einer Kulisse, die in Zukunft ebenfalls so nicht mehr zu erleben wird, denn in diesem Steinbruch wird noch heute Jahrmillionen alter Porphyr abgebaut, erkaltete Magma aus den tiefen der Erde.

Warum nicht mal in den Wald?

Splashgirl, ein Piano-Trio der neuesten Generation verzauberte das Wäldchen hinter der Bergstation der Jenesien-Seilbahn. Duftende Kiefern, frische Luft und ein groovig-entspannter Jazz, ein Kombination die eine echte Alternative zu einem einwöchigen Wellness-Aufenthalt ist.

Es sind immer wieder die Formate, die bei diesem Festival überraschen und sicherlich für viele andere Kulturschaffende Vorbild wären. Orte und die musikalischen Protagonisten bildenen das Event. Aber die Mannschaft um Klaus Widmann will mehr. Sie will Südtirol durch oft provokante Musik in einem anderen Licht erscheinen lasse. Dies gelingt von Jahr zu Jahr mehr und Zuschauerzahlen, insbesondere auch die der internationalen Gäste steigen stetig.

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Hier findest Du eine Reihe von Videos vom Festival...

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