GRUNDSTEIN GELEGT - PUBLIKUM FEHLT!
Angelo Comisso im Marler Kulturzentrum Erlöserkirche
TEXT: Barbara Seppi | FOTO: Barbara Seppi
Startschwierigkeiten für den Jazz in der Erlöserkirche in Marl: Der italienische Pianist Angelo Comisso lieferte unter erschwerten Bedingungen ein großartiges Konzert ab.
Am Dienstagabend startete im Kulturzentrum Erlöserkirche in Marl die neue Reihe „That´s Jazz“, auf dem Programm der renommierte, in seiner Heimat bekannte, italienische Jazz-Pianist Angelo Comisso. Mit seinem Solo-Programm „Metamorfosi dell’immaginazione“, durchweg improvisierte Stücke aus Verflechtungen von moderner Klassik und inspiriertem europäischen Jazz, ist Comisso auch in Deutschland bereits in bekannten Jazz-Locations wie der Kolvenburg in Billerbeck oder dem Schloss Horst in Gelsenkirchen aufgetreten. Nun also die Erlöserkirche.
Der Raum nach der Renovierung mit einer perfekten Akustik, durch die bunten Fenster in suggestives Licht getaucht, der Steinway-Flügel hat einen fantastischen Klang - alles war angerichtet für ein großartiges Konzerterlebnis. Allein der Zuschauerstrom hielt sich sehr in Grenzen, vier zahlende Gäste, nicht einmal aus Marl, sondern aus Herten und Datteln und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Heimatvereins. „Es ist schwerer zu spielen, wenn es so wenig Resonanz aus dem Publikumsraum gibt“, musste Comisso am Ende zugeben. Gerade der improvisatorische Moment lebt von einer unsichtbaren Interaktion mit den Gefühlen der Zuhörenden.
KLANGTIEFE UND GROßES GEFÜHL
Die einzelnen Sequenzen seines Programmes versprühten den Zauber, das Gefühl und die Klangtiefe, die man von ihm kennt. Impressionstische Motive, meist nur einige Takte entliehen bei Debussy oder Rachmaninov, werden auf eigene Weise umgeschrieben, weitergesponnen. Comisso passt sie in suchender Weise eigenen Emotionen an, leise Erwartung, verträumte Gedanken oder aggressive Ausbrüche mit viel Pedal und pulsierenden Akkorden der Bassoktaven. Eigenkompositionen wie „Adios Adieu“ oder „Nothing about me“ entwickeln sich in mitreißenden Wellenbewegungen. Wer Comisso kennt spürte allerdings, dass die Übergänge von einem Thema zum anderen nicht so fließend natürlich kamen wie sonst, denn da fehlte in der Tat ein emotionales Feed-Back aus den Stuhlreihen.
Im zweiten Set präsentierte Comisso eher selten für seine Piano-Solo-Konzerte Improvisationen über ein Standard Jazz-Werk von Duke Ellington. Interessant Comisso einmal in Swing-Version zu hören, selbstverständlich interpretiert auf seine unnachahmliche Art mit Brüchen, Pausen und dissonanten Einschüben.
Die wenigen Zuhörer waren durchweg begeistert. „Es fühlte sich an, wie eine innere Weltreise“, sagte die Dame aus Herten. „Ein Konzert, wie im Domizil in Dortmund, wo ich häufiger bin“, teilte der Gast aus Datteln mit.
ES BRAUCHT MEHR WERBUNG!
Das heißt im Prinzip, der Grundstein sollte gelegt sein für „That´s Jazz“ in der Erlöserkirche. Es muss wohl nur noch an Werbung und der Organisation gefeilt werden, ein paar Ideen müssen auf den Tisch. Für Künstlerinnen und Künstler ist es nie zufriedenstellend, vor leeren Stühlen spielen zu müssen. „Aber wir sind überzeugt, dass wir die Reihe etablieren können“, sagte Heribert Bösing, Schatzmeister des Heimatvereins, der das Kulturzentrum leitet. „Aller Anfang ist schwer“.
Ein Saxofon-Quartett aus dem Jugendblasorchester Marl mit drei Standard-Jazz-Nummern zu Beginn einzuladen hatte nicht den gewünschten Erfolg. Die vier jungen Damen hatten auch kein Publikum mitgebracht.