Große Lieder, große Dinge
Snow Jazz Gastein 2018
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Josef Maier
Was für eine Wuchtbrumme steht da auf der Bühne. Und röhrt und schreit den Soul, den Rhythmn´n´Blues oder den Jazz heraus. Die Amerikanerin Gisele Jasckson ist genau die richtige Stimme für die Band um den österreichischen Hammond B3-Wizzard Raphael Wressnig. Und der ist genau der Richtige für den Eröffnungsabend der diesjährigen, bereits 17. Ausgabe von Snow Jazz Gastein. Denn der Mann aus der Steiermark ist ein Garant für groovende, beste Laune verbreitende Musik, die von Funk und Souljazz auch mal verschmitzt nach New Orleans herüberblinzelt.
Mit Rom-Schaerer-Eberle hat Festivalmacher Sepp Grabmaier für den zweiten von insgesamt neun Festivaltagen gleich den nächsten Publikumsmitreißer in sein Sägewerk in Bad Hofgastein eingeladen. Gitarre, Stimme und Trompete – aber was heißt das schon bei einem Mann wie Andreas Schaerer. Der Vokalakrobat aus Bern kann mit seiner Stimme einfach alles machen. Rasend schnelle Silbenfolgen raushauen, als Human Beat Box seine beiden österreichischen Kollegen mit Rhythmen versorgen oder als verblüffend wie ein Blechbläser klingender Partner mit dem Trompeter Martin Eberle heiße Dialoge führen. Die Palette an Ideen ist dabei schier unerschöpflich. Ein Monk-Motiv dient da als Basis für halsbrecherische Rhythmusfolgen, rockige Gitarrenlinien vom Peter Rom geben die Richtung für improvisatorische Einfälle vor. Aber beseelt geht bei dem Dreier auch, mit wunderschönen Melodien, die nach Afrika entführen.
Und genau dort knüpfte ein weiterer fantastischer Dreier an! Klarinettist und Saxofonist Jan Galega Brönnimann aus der Schweiz, Koraspieler und Sänger Moussa Cissokho aus dem Senegal und der israelische Perkussionist Omri Hason verwöhnten das Publikum mit wunderschönen, melodieseligen Momenten. Bei denen trifft Afrika auf Jazz und den Orient und verschmilzt miteinander zu einer kammermusikalischen Reise, die viele Entdeckungen beim Zuhören zulässt, die Seele streichelt und zum Träumen einlädt. Ohne dabei einen feinen rhythmischen Pfiff hintenanzustellen.
Den US-Sänger Steven Santoro hatte Festivalleiter Sepp Grabmaier schon im letzten Jahr zusammen mit dem Trio des in New York lebenden österreichischen Pianisten Walter Fischbacher zum Festival eingeladen. Fischbacher arbeitet aber auch mit Sängerin Audrey Martells zusammen. Und dieses Paket hatte Grabmaier im Sommer in Bad Gastein. Und war begeistert von der Amerikanerin. Die Idee reifte beide Stimmen einmal zusammenzubringen. Und dieses mit einem Augenzwinkern als Weltpremiere angekündigte Konzert fand nun im Festsaal von Dorfgastein statt – und funktionierte prima. Der elegante Jazzcrooner und die heiße Soul-Jazz-Röhre passten erstaunlich gut zusammen, spielten wunderbar verspielt miteinander.
Das diesjährige Festivalmotto lautete „Great Songs & Other Big Things“ – und bescherte gleich drei Abende mit Großformationen. Der brasilianische Gitarrist Emiliano Sampaio präsentierte im Nonett sein Mereneu Project, eine stilistisch schwer zu greifende, weil so vielschichtige, beschwingte Musik, die in manchen Momenten einen prima Filmscore abgäbe. Das Schweizer Trio VEIN brachte das Aarhus Jazz Orchestra mit ins Gasteinertal. Und betörte mit ungewöhnlichen Arrangements, so etwa von Ravels „Bolero“, den sie Stück für Stück gemeinsam mit den Dänen zu Höhenflügen führten. Und die Jazz Big Band Graz brillierte mit einen Querschnitt durch ihre letzten Programme und einer Musik fernab jeglicher Bigband-Klischees. Poppiger Gesang, Ethnoeinflüsse, elektronische Einsprengsel, natürlich jazzige Exkurse - und das alles verpackt in lange, spannende musikalische Geschichten: ein Festival-Höhepunkt. Das galt am Abschlusstag auch wieder mal für die Matinee mit anschließendem Jazzbrunch im Hotel Miramonte in Bad Gastein, wo die vier Holzbläser von Saxofour um den österreichischen Saxofonisten Wolfgang Puschnig mit viel Humor und kuriosen Momenten, aber auch ungeheurer Musikalität und Einfällen viel Appetit machten auf die anschließenden Gaumenfreuden.