Bild für Beitrag: Große Abwechslung | Trans4JAZZ-Festival 2013
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Große Abwechslung

Trans4JAZZ-Festival 2013

Ravensburg, 13.11.2013
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese, Thomas Fuchs & Thomas Kapitel

Der namhafteste Künstler spielte gleich zum Festivalauftakt. Und für einen Marcus Miller räumte man dann auch mal die Stühle weg im historischen Konzerthaus von Ravensburg. Was Sinn macht, ist Millers Musik doch eine zum lockeren Grooven im Stehen. Mit zum Teil neu formierter Band zeigte der Amerikaner all das, was man bei ihm kennt und von ihm erwarten kann. Vor allem krachende Groovs von seinem E-Bass, mit dem der Bandleader nicht nur optisch vorne am Bühnerand platziert ist, sondern auch musikalisch die Hauptrolle spielt. Keiner slappt den Fender-Bass so wie er und tiefer kann ein Tieftöner auch kaum klingen. Immerhin ist der Meister klug genug, seine Bassgewitter zu dosieren und auch seiner jungen Truppe immer wieder Raum zum Brillieren zu geben. Als Opening Act für seinen Abend hatte Marcus Miller den Veranstaltern übrigens die Sängerin Maya Azucena aus Brooklyn ans Herz gelegt, die mit ihrer eigenen Band ein Dreiviertelstündchen lang zeigen durfte, dass sie eine ganz passable Soul- und R&B-Stimme und prima Anheizerin ist.

Wesentlich filigraner als bei Marcus Miller ging es am Abend darauf bei Marilyn Mazur weiter. In der Linse, einem atmosphärischen, alten Kino und Kulturzentrum in Ravensburgs Nachbargemeinde Weingarten, verzauberte die amerikanisch-dänische Schlagwerkerin mit dem Konzept ihrer 2011 bei ECM erschienenen CD „Celestial Circle“. Klangfarbenreich und luftig ist das Spiel Mazurs auf ihrem imposanten, mit allerlei Glocken, Gongs und Schellen erweiterten Drumset. Nie selbstdarstellerisch, sondern immer eingebettet ist ihr Spiel in die auch mal folkloristisch anmutende Musik mit dem oft lautmalerischen Gesang der Schwedin Josefine Cronholm, den klug gesetzten Statements von John Taylor am Klavier und den wohligen Basspulsschlägen von Klavs Hovman. Es ist eine Musik, die wunderschön fließt und auch mal ordentlich vorantreibt. Und an diesem Abend vom Soundteam des Festivals klangtechnisch zudem unglaublich gut und transparent umgesetzt und mit Visuals von Thomas Fuchs auch optisch spannend und atmosphärisch angereichert wurde. Viel Zeit zum Nachschwingen dieses Konzertes blieb nicht, denn im Kleinen Saal der Linse starteten kurz darauf der Elektronikmusiker Jan Jelinek und der japanische Vibrafonist Masayoshi Fujita ihren Live Remix von Mazurs Auftritt. Abstrakte Elektronikklänge vermischten sich mit dem Vibraphonspiel. Fujita verblüffte zwischendurch mit ungewöhnlichen Klängen auf seinem Instrument, indem er etwa eine Aluminiumfolie auf die Platten legte. Nur allmählich hörte man in dem Soundkosmos der beiden Kreativkünstler ein wenig vom Glockenspiel Marilyn Mazurs, eine Basslinie oder einen verfremdeten Piano-Akkord aus dem Ursprungskonzert heraus. Die Zuhörer im Saal waren unentschlossen, was sie von dieser Performance halten sollten. Einige gingen. Das Publikum beim „Trans4JAZZ“ muss noch herangeführt werden an die Kunstform des Live-Remix, so scheint es. Das war schon bei der Premiere im letzten Jahr spürbar. Aber man möchte auch zukünftig an den Remixen festhalten.

Was das fünftägige „Trans4JAZZ“-Festival ausmacht, ist die große Abwechslung an jedem der einzelnen Abende. Thomas Fuchs und sein ehrenamtlich arbeitendes Team vom Verein Jazztime Ravensburg zeigten einmal mehr eine große Bandbreite, was Jazz alles sein. Etwa mit dem Auftritt vom „Holstuonarmusigbigbandclub“, kurz „HMBC“, aus dem benachbarten Vorarlberg. Diese Brassband begeisterte im knackevollen Konzerthaus nicht nur mir ihren unglaublichen handwerklichen Fähigkeiten, alle fünf Bandmitglieder sind zudem wahre Multiinstrumentalisten, sondern auch mit ihrem Humor, der die Moderationen und die Stücke selbst durchzog. Überhaupt die Stücke. Pophits, aber vor allem auch Volksmusik und Schlagerschnulzen sind die Basis für die irrwitzigen, groovig frischen Interpretationen der Österreicher. Ein echtes Live-Erlebnis.

Das war auch das Abschlusskonzert in der Evangelischen Stadtkirche von Ravensburg mit Enders Dome. Der Weilheimer Saxofon-Hüne Johannes Enders, der Schweizer Drummer Gregor Hilbe, Organist Andy Lutter aus München und der Gast, Trompeter Nils Petter Molvær aus Norwegen, betörten die andächtig lauschenden Zuhörer mit meditativen Klängen, die Enders zwischendurch nur ganz dezent elektronisch anreicherte. Wie die mächtige Kirchenorgel, Saxofon, Trompete und Schlagwerk gefühlvoll miteinander kommunizierten, wie sie zarte Linien in kontemplativer Schönheit und Reinheit zeichneten, das war eine in sich gekehrte Musik voller Sinnlichkeit. Ein perfekter Ausklang des zehnten Trans4JAZZ, das sich längst zu einem außerordentlichen, überregional wahrgenommenen Event gemausert hat. Im nächsten Jahr feiert der Verein Jazztime übrigens seinen 20. Geburtstag. Wieder so ein Jubiläum, geschmückt mit einer weiteren, sicherlich wieder interessanten Festivalausgabe.

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