Grenzenlos 2011 in Murnau
Weltmusikfestival
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Dass sie die drei Gitarrenhexer Al Di Meola, Paco de Lucia und John McLaughlin selbst als ihre Vorbilder bezeichnen, ist eigentlich überflüssig. Das hört man rasch, wenn man Le Trio Joubran auf einer Konzertbühne erlebt. Mit dem Unterschied, dass die drei palästinensischen Brüder keine Gitarren schwingen, sondern alle Oud spielen. Übrigens Marke Eigenbau, denn Wissam Joubran hat als erster Araber eine Ausbildung für Geigen- und Lautenbau am Antonio Stradivari Consortium in Cremona abschließen dürfen.
Es war ebenfalls eine Friday Night, nicht in San Francisco, sondern in Murnau. Und das dort beheimatete Weltmusikfestival „grenzenlos“ hätte sich zu seiner 12. Ausgabe keinen besseren Start wünschen können als mit dem um den Perkussionisten Yousef Zayed erweiterten Trio Joubran. Hochvirtuos gingen die Musiker zur Sache, ohne dabei ihre Virtuosität in den Fokus zu stellen. Vielmehr verblüfften die kongenial vom Perkussionisten unterstützten Brüder mit klanglicher Dichte und herrlich dynamischen Abstufungen in ihrem sich so oft wunderbar ergänzenden Spiel auf den drei Ouds. Wie sie Ideen des anderen weitersponnen, ostinate Motive durch Improvisationen aufbrachen, arabische Klänge über Genregrenzen hinwegschweben ließen, kleine Pausen innerhalb der Stücke atmosphärisch verdichteten, das war in jedem Moment spannend zu erleben.
Mit Guinga präsentierte „grenzenlos“tags darauf ein echtes Kontrastprogramm. Denn der Brasilianer ist auf der Bühne eher ein sehr zurückhaltender Künstler. Er sei im Grunde genommen kein Gitarrist und auch kein Sänger, sondern Komponist, machte Guinga gleich zu Beginn seines letztendlich verzückenden Konzertes klar. Und dieses Understatement und diese Zurückhaltung wirken bei im so authentisch und natürlich, dass der 61-Jährige damit sofort die Herzen des Publikums geöffnet hatte. Natürlich spielt Guinga sehr gut Gitarre und überzeugt auch als Sänger, auch mit von einer Grippe leicht angeschlagenen, brüchigen Stimme. Vor allem verwöhnt der Mann aus Rio de Janeiros Stadtteil Leblon mit seiner so gefühlvollen, ja fast elegischen Musik, die durchkomponiert ist, rhythmisch und harmonisch komplex, aber nie so wirkt. Vielmehr schweben die von verschiedenen Genres brasilianischer Musik gefärbten Melodien, die immer das Ziel haben, Körper und Seele des Zuhörers zu kitzeln. Das gelingt in Murnau; Guinga muss drei Zugaben spielen, wobei dieser außerordentlich sympathische Zeitgenosse fast ein wenig erschrocken wirkt über die so große Freude und Zuneigung des Publikums.
Die Liebe des Publikums spürt auch die Assad Family aus Brasilien am letzten Festivalabend. Das berühmte Gitarrenduo Sergio und Odair Assad hat Schwester Badi Assad und die eigenen Töchter Carolina und Clarice Assad nach Murnau mitgebracht. Memorabel, wie diese fünf Ausnahmekönner in verschiedenen Konstellationen der brasilianischen Musik huldigen. Clarice entpuppt sich als hochtalentierte Pianistin, die zwei Stücke sehr intelligent und mit jazzimprovisatorischem Ansatz zu einer Nummer verschmilzt. Clarice, Carolina und Badi betören als mehrstimmiges a-cappella-Trio, Badi als perkussive Solokünstlerin, die beiden Brüder als virtuoses Gitarrenduo und alle zusammen auch im Quintett. Im Mittelpunkt des Auftritts stand die vierteilige Suite „Back To Our Roots“, die als deutsche Uraufführung die arabische, genauer gesagt, libanesische Herkunft der Familie Assad in den Kontext brasilianischer Musik stellte. Da griff Sergio Assad zu einer Kreuzung aus Saz und Bouzouki, sorgte so schon klanglich für arabisches Flair. Und die ursprünglich für eine arabische Stimme geschriebene Suite funktionierte in Murnau prächtig mit portugiesischen Lyrics.