Grégory Privat
Soley - Soleil - Sonne bei Fine Art Jazz
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Das ist mal wieder ein tolles Konzert der Fine Art Jazz-Reihe. Grégory Privat gastiert heute am 29. Oktober mit seinem Trio im Gemeinschaftshaus Wulfen. Er kommt ursprünglich aus Martinique und lebt jetzt in Frankreich, das ist schon ein recht exotischer Besuch hier im Münsterland. Der Raum ist ansprechend und coronagerecht mit kleinen Tischen bestückt. Der zunächst schleppende Ticket-Verkauf hatte sich doch noch positiv entwickelt, so dass ein angemessen großes Publikum den Saal füllt.
‚Exotisch‘ ist es auch, wenn Grégory bei der Vorstellung von Seducing The Rain im zweiten Set erklärt, dass man damit Regen heraufbeschwören könne. Alle lächeln. Doch das Intro klingt wirklich, als ob Regentropfen fielen. Grégory haucht die Melodie, ganz sacht kommen Bass und Drums dazu, bis dass die verzerrte Bass-Gitarre ein ruhiges Solo spielt, das dann wieder in den Gesang von Grégory Privat übergeht. Und tatsächlich, nach dem Konzert ist draußen wirklich alles nass. Magic!
Seducing The Rain (Live Session) Premiere am 08.10.2020 hier mit Chris Jennings am Double Bass
- Grégory Privat
Mit Voodoo oder anderem Spuk hat Grégory aber nichts am Hut. Sein ‚Zauber‘ besteht darin, sich selbst neu zu erfinden. Er möchte dies auch seinen Zuhörern vermitteln, wenn er mit seiner Musik ein neues Universum schafft, in dem sie sich neu entdecken können. In meiner Rezension vom Februar letzten Jahres auf nrwjazz über sein Album SOLEY habe ich ihn schon vorgestellt.
Grégory spielt auf einem Flügel, auf dem oben der Synthesizer Nord Stage 2 liegt. Manchmal spielt er auf beiden gleichzeitig. Er spielt im Sitzen und im Stehen, wippt hin und her, geht in die Knie und setzt so seine Musik auch in Bewegung um.
Grégory singt mit hoher Stimme, d.h. eigentlich singt er nicht, er scattet nicht, Vocalisen sind es auch nicht. Es gibt es kein Wort dafür, er lässt einfach Töne erklingen. Im Grunde ist dies im wahrsten Sinne des Wortes eine Körpersprache, die – seelisch induziert - direkt aus dem Körper kommt und keine Wörter braucht. Seine Stimme erinnert oft an ein Blasinstrument, eine Flöte zum Beispiel.
- SOLEY - Soleil - Sonne
Gregory will heute sein Album SOLEY vorstellen, er beginnt aber erstmal mit Riddim aus dem vorhergehenden Album Family Tree.
In LAS – ‚Müde‘ beschreibt er mit einem kreolischen Text einen Zustand der Desorientierung, in dem es darum geht aufzustehen:
"lévé, lévé, lévé fòk mwen lévé"
Das ist durchaus autobiografisch, denn es ging ihm wohl ähnlich, als er sich entschied seinen Ingenieurberuf aufzugeben und sich nur noch der Musik zu widmen.
Weiter gehts mit D.N.A. Grégory stellt das Motiv vor, variiert es und führt es in ein Crescendo. Eine englische Frauenstimme spricht vom Band. Der Bassist Elvin Bironien und Drummer Tilo Bertholo haben sich bisher zurückgehalten. Jetzt bringt sich Tilo mit kurzen Einwürfen ein. Gregory erzählt später, dass er heute zum ersten Mal mit dem Bassisten zusammenspielt. Elvin spielt E-Bass, das hört sich schon ganz anders an als der Kontrabass von Chris Jennings, der auf der CD zu hören ist. Hier hören wir von ruhige, langgezogene Töne parallel zum Piano.
Schneller wird’s bei Serguei. Das Stück bezieht sich auf den russischen Komponisten Sergei Rachmaninow.
Exode – allein schon die Vokalfolge des biblischen Wortes Exodus sagt uns: es geht bergab. Tiefe Töne und harte Drums erzeugen eine gewichtige Spannung, das Keyboard-Solo auf der CD wird heute vom Bassisten übernommen. Wegen der elektronischen Verzerrung klingt er aber so ähnlich wie ein Keyboard. Andersherum klingt das Keyboard manchmal wie eine Gitarre, die Technik machts möglich. Ein expressives Drum Solo und dann eine lange von Ostinati geprägte Phase, die nach einem Crescendo plötzlich abbricht und das Stück beendet.
Le Pardon und Soley werden verbunden. Grégory erklärt vorher den Titel, danach steht das kreolische Wort S-O-L-E-Y (Sonne) für:
S PIRITUALITY -O PTIMISM - L IGHT - E NERGY (Coming to) - Y OU
Naja, das ist schon ziemlich konstruiert, es soll aber zeigen, worum ihm es geht. Auf YouTube kann man sich das von ihm genauer erklären lassen. Die Musik hat etwas von Meditation, fast schon Kultcharakter.
Die Strukturen seiner Stücke ähneln sich. Meistens beginnt er leise und recht langsam, dann baut sich allmählich ein Crescendo auf, das dann wieder abebbt. Das könnte an die Gauß’sche Normalverteilung erinnern, kann man aber auch als Abfolge von Lebenszyklen sehen. Manche Stücke wie z.B. Exode brechen am Ende unvermittelt ab.
- unterm Strich ...
Grégory ist ein musikalischer Kosmos für sich. Für Sidemen könnte es vielleicht schwer sein sich einzuklinken, dem Drummer gelingt dies gut, der Bassist hatte manchmal Mühe mitzuhalten. Da ist es vielleicht konsequent, dass demnächst ein Soloalbum herauskommen wird.
Dieses Konzert gefällt mir noch besser als die CD. Schön, dass Grégory jetzt auch in Deutschland auftritt.
Als Zugabe spielt die Band Le Bonheur. Dieses Lied von der CD Family Tree hat mir immer schon am besten gefallen. ‚Bonheur‘ bedeutet ‚Bonne Heure‘ – eine gute Stunde, qualitativ und quantitativ, haben wir mit dem Konzert verbracht.