Glanzvoller Auftakt
Münsterland-Festival 2013
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Viel Prominenz, auch politischer Couleur , versammelte sich zum Auftaktkonzert des diesjährigen Münsterland-Festivals ins Grevener Kulturzentrum GBS – einem ehemaligen Baumwolllager für die Textilindustrie, die früher in diesem westfälischen Städtchen ansässig war. Eröffnet wurde ja auch nicht weniger als einer der größten denkbaren überregionalen Zusammenschlüsse von Veranstaltungsorten, um das Münsterland als Kulturregion lebendig zu machen. Erstmalig findet dieses von der Coesfelderin Christine Sörries kuratierte Festival sogar grenzübergreifend statt, denn zur aktuellen Festival-Ausgabe sind auch die Niederlande mit im Boot. Worum geht es den Festivalmachern, die im Kern aus dem Münsterland eV. hervorgehen? Die vielen kleineren ländlichen Orte in der weiten Region haben doch eine stattliche Anzahl stimmungsvoller Lokalitäten – und da lässt sich doch auch international hochwertige Musikkultur hinbringen!
Auch die anwesende NRW Kulturministerin lobte diese ambitionierte und vom Land NRW öffentlich geförderte Zusammenarbeit. Nach Frankreich und in die Schweiz geht die diesjährige Reise. Und die ist angesichts der lebendigen Szenen dieser Nachbarländer allemal ein bereicherndes Unterfangen!
Beim Eröffnungskonzert waren erstmal These und Antithese zu erleben: Da ist die junge Alphornspielerin Eliana Burki, die bereits mit dem Münchener Radiosinfonieorchester musizierte, aber die auch der populären Muse nicht abgeneigt ist. Beeindruckend, wie sie im vollbesetzen Saal in ihre langen Hörner blies, wie überhaupt eine so zarte Person so extreme Luftsäulen entstehen lassen kann, die schließlich in diesen meterlangen traditionellen Blasinstrumenten einen – entfernt posaunenartig klingenden- Sound produzieren. Leider war das ganze Drumherum etwas beliebig bis belanglos angesichts des hehren Anspruchs, den sich das Münsterland-Festival programmatisch setzt. Da unterhielten bis langweilten relativ vorhersehbare Bluesfunk-Phrasen oder mal etwas Rock und Reggae und zwischendurch einige durchaus gewitzte Songs.
Vielleicht brauchte es auch mal so eine Basis, um dann wieder umso mehr deutlich zu machen, welche Wunder Musik verbringen kann. Denn der Akkordeonspieler Vincent Peirani, Michel Benita am Bass und Michel Wollny am Piano sowie Michel Portal an den Klarinetten – ohnehin eine Traumbesetzung, die auch die weiteste Anreise rechtfertigt! - verwandelten diesen Ort auf Anhieb in etwas ganz anderes .
Da ist auf einmal jede indifferente Lautheit passé, wenn erst Vincent Peirani auf der Bühne eine Art sphärisch-schwebenden Choral intoniert. Dann kommen Wollny und Benita hinzu. Ersterer gibt auf Anhieb durch seine filigrane Anschlagskultur einen regelrecht magischen Puls hinein, der jedes Schlagzeug sowieso überflüssig macht. Benita zeigt sich als sensibler Erzähler mit tiefen, warmen Bass-Tönen. Die Technik macht Probleme, es knallt ein paar Mal laut. Benita hält sich die Ohren zu, doch dann boxt Wollny mit der Faust heftig auf die Flügelseiten, dass es wütend wummst. Gelächter im Publikum macht alles wieder locker und es kann weiter fließen. So haucht die Band ein paar Standards dahin . Dann wird es nochmal um Quantensprünge interessanter und eindringlicher, als Portal die Stimme erhebt! Sein Gesichtsausdruck und vor allem sein rauher Bassklarinettenton sagen: hier hat ein Mensch schon so unendlich viel im Leben empfunden und all das bündelt sich gerade hier im Moment.
Da wird große Musik frei – egal ob die Ingredienzen in diesen Momenten nun Jazz, Blues, Tango oder französische Musette heißen. Ob hochmodern und abenteuerlustig mit Tonskalen, Phrasen und rhythmischen Mustern gespielt wird, oder man sich vor der reichen Historie verneigt, wie es später mit einer Ellington-Ballade passiert. Ergreifend, wie phasenweise Elemente aus Piazollas Libertango auflodern, unglaublich welch expressives Potenzial, welche virtuose Energie Portal auf seinen Hörnern nach wie vor zum Lodern bringt. Niemand fühlt sich jetzt einfach nur noch unterhalten. Das ist spürbar im Saal, in dem es reglos still geworden ist. Alle sind vertieft, konzentriert, mittendrin. Entsprechend hingebungsvoller Applaus wird später frei.
Man darf gespannt sein, auf welchen Reisen man noch ankommt beim Besuch weiterer der insgesamt 40 Konzerte und zahlreiche Ausstellungen in den Weiten des Münsterlandes.