Bild für Beitrag: Gelungener Tourneeauftakt | Jan Garbarek feat. Trilok Gurtu auf Zollverein
Bild für Beitrag: Gelungener Tourneeauftakt | Jan Garbarek feat. Trilok Gurtu auf Zollverein
Bild für Beitrag: Gelungener Tourneeauftakt | Jan Garbarek feat. Trilok Gurtu auf Zollverein
Bild für Beitrag: Gelungener Tourneeauftakt | Jan Garbarek feat. Trilok Gurtu auf Zollverein

Gelungener Tourneeauftakt

Jan Garbarek feat. Trilok Gurtu auf Zollverein

Essen, 29.10.2013
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Der norwegische Saxophonist, ja: europäische Jazz-Gigant Jan Garbarek gab in der Essener Zeche Zollverein mit seiner Band den Startschuss für seine neue ausgedehnte Tournee durch die Konzertsäle der Republik und der Schweiz. Gespielt wird an dem Abend in Essen viel von dem Material, das im Oktober 2007 im Alten Schlachthof in Dresden aufgenommen und auf dem Live-Album „Dresden“ (2009) veröffentlicht wurde, aber auch auf viele ältere Titel wurde zurückgegriffen. Als Musiker wirken aktuell mit: der altgediente Rainer Brüninghaus am Keyboard und Piano, der Brasilianer Yuri Daniel am E-Bass und – statt Manu Katché vom „Dresden“-Album an den Drums – der indische Perkussionist Trilok Gurtu.

Schon die ersten mit viel Hall versehenen Töne auf dem Saxophon lassen den unverwechselbaren Sound Jan Garbareks und den seines Münchener Plattenlabels ECM erkennen. Sie ziehen einen – auch wenn man nicht unbedingt ein Freund des Liedhaft-Elegischen ist - schnell in den Bann. Dem Ensemble des frei von Starallüren auftretenden Musikers gelingt eine Jam-Session, die das magisch-spirituelle Hochgefühl von Alben mit dem Hilliard-Ensemble wie ‚Officium’, ‚Officium Novum’ oder ‚Mnemosyne’ und entsprechenden Live-Auftritten Garbareks in Kirchenräumen vergessen lässt. Dies liegt sicherlich nicht an dem nüchternen Mehrzweckraum der Zeche Zollverein, sondern vielmehr an den Musikern. Verschaffte Yuri Daniel bereits in der „Dresden“-Aufnahme durch sein „summendes“ Fretless-Spiel bis hin zu slappenden Einlagen einen härteren und zum Teil fast schon rockigen Konterpart zu dem melodieverliebten und hochgestimmten, geradezu weihevollen Sax-Spiel Garbareks, so ist mit Trilok Gurtu ein Nachfolger von Manu Katché mit anderen Percussion-Akzenten gerückt. Der indische Tabla-Virtuose legt ein dermaßen power- und druckvolles Drum- und Perkussionsspiel an den Tag, das den Garbarek-typisch poetischen Klangkosmos um die Dimension eines mitreißenden Rhythmus und vielfältiger perkussiver Effekte erweitert. Nicht dass Garbarek seine hymnischen Melodiebögen und genialen Improvisationen über (norwegische) Volksweisen und eingängige mitsingfähige Phrasen einschränkte: Man hat den Eindruck, dass Trilok Gurtu die Gruppe mitreißt und zu „wilden“, das Elegisch-Hymnische transzendierenden Improvisationen animiert. Dies wird zum Beispiel unmittelbar nachvollziehbar, wenn Garbarek mit bloßem Klappengeräusch die Tablas nachahmt. Oder wenn im Duett mit der Percussion-Sektion oder den Bass- oder Keyboard-Läufen die Staccati des Saxophons wunderbar mit den Mitspielern korrespondieren. In diesem Sinne wird das Publikum Zeuge eines Crossover von „nordischer“ Strenge und Feierlichkeit auf der einen, von energiegeladener ansteckender Rhythmik der eher südlichen Einflussshäre auf der anderen Seite. Trilok Gurtu stellt dabei selber noch einen anderen Crossover-Effekt her: Sein Spiel vermittelt scheinbar mühelos, aber doch hoch virtuos und komplex zwischen dem „westlichen“ Schlagzeug und der arabisch-indischen Tabla. Mit der einen Hand wird die Snare geschlagen, mit der anderen die Tabla, oder beim Tabla-Spiel gibt die Base-Drum den Takt vor oder fundiert im Solo auch die rhythmisierten, das Tabla-Spiel imitierenden Sprechsilben. Das alles ist hochartifiziell und bringt die verschiedenen musikalischen und instrumentellen Traditionen und Klangwelten zu einem überaus phantasievollen Zusammenwirken. Nicht nur das. Auch Jan Garbareks Saxophon klingt kraftvoller und mächtiger: der satte Ton seines Tenorhorns sowieso, aber auch sein gebogenes Sopransax von der italienischen Saxophonmanufaktur Rampone & Cazzani scheint auf ein stärker geerdetes Klangideal hinzuweisen.

Ein gelungenes Musik-Ereignis, mit wundervollen Melodielinien mit komplexer harmonischer und rhythmischer Tiefenschicht, ein hochpräzises Zusammenspiel von routiniert eingespielten, sich gegenseitig befruchtenden Musikern, im Ensemble und im Solo überzeugende Künstler – fürs Publikum ein beglückender Abend.

Bild für Beitrag: Gelungener Tourneeauftakt | Jan Garbarek feat. Trilok Gurtu auf Zollverein
Bild für Beitrag: Gelungener Tourneeauftakt | Jan Garbarek feat. Trilok Gurtu auf Zollverein
Suche