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Gelungene Fusion von Jazz und Klassik

Nils Landgren und die Bochumer Symphoniker

Bochum, 16.01.2016
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Das 5. Symphoniekonzert der Bochumer Symphoniker ist als „Spezial“ ausgewiesen – zu Recht, ist doch der Gast des Abends kein Geringerer als Nils Landgren mit dem schwedischen Pianisten Jan Lundgren, Dieter Ilg am Kontrabass und Wolfgang Haffner am Schlagzeug. „Speziell“ ist ein solcher Crossover-Ansatz bei Jazz und Klassik immer, sind für Jazz-Puristen große Bands, erst recht solche im orchestralen klassischen Ambiente und erst recht solche mit Streicherunterstützung eher problematisch oder gar ein Graus, sie stehen reflexartig unter Kitsch-Verdacht.

Bei Nils Landgren geht man deshalb mit gespannten Erwartungen in ein solches Konzert: Man weiß, er ist ein klassisch ausgebildeter Posaunist und Musiker, der in seiner ganzen Karriere das gesamte Spektrum von ABBA, Funk, Soul bis Jazz, von Zusammenarbeit mit Big Bands (z.B. denen des NDR und WDR) abdeckt und obendrein als Künstlerischer Leiter (Jazzfest Berlin, JazzBaltica) und Förderer von zig Musikprojekten agiert. Kurzum: ein musikalischer Universalkünstler. Nicht nur als großartiger Posaunist und – eher durchschnittlicher - Sänger, sondern auch als mitreißender groovender Entertainer und Publikumsliebling ist der Schwede Inbegriff von Fun Jazz, er hat keine Scheu vor der Nähe zu Gefälligem und Unterhaltendem, eine seiner CDs mit der Bohuslän Big Band trägt nicht von ungefähr den programmatischen Titel Don’t Fence Me In.

Die beiden Konzerte mit den Bosys unter dem Dirigat von Steven Sloane im Bochumer Schauspielhaus engen Landgren nicht ein, im Gegenteil: Ein gut aufgelegter Nils Landgren – mit manchmal vielleicht ein wenig zu durchsichtigem fishing for compliments für die geneigte Zuhörerschaft -, seine einfühlsamen Jazzer und die hervorragend aufspielenden Bochumer Symphoniker sorgen für einen rundum gelungenen und das Publikum mitreißenden Abend.

Zwei Abwesende tragen nicht unwesentlich zu dem Erfolgsrezept mit bei: Jörg Achim Keller und Vince Mendoza. Der erstere zeichnet sich verantwortlich für die Arrangements der Songs des ersten Teils des Abends. Der Chefdirigent der NDR Bigband hat ein sehr unterschiedliches Songmaterial im Auftrag des Posaunisten und Sängers bearbeitet: vom schwedischen Volkslied über Landgrens ursprüngliche Funknummer Cannonball und Kurt Weills This Time Next Year bis zum ruhigen, von Landgren rein vokal vorgetragenen Don’t Let Me Be Lonely Tonight und dem flotten Stars in Your Eyes. Dies erfolgt auf eine sehr angenehm zurückhaltende Art und Weise, das orchestrale Ensemble wird wohldosiert eingesetzt und trägt zu einer subtilen Wirkung des Gesamtklangs bei, die man beim Zusammenkommen von vier Jazzern und einem symphonischen Orchester so vielleicht nicht erwartet hätte.

Die Arrangements von Vince Mendoza im zweiten Teil des Konzertabends markieren einen gewissen Stilwechsel: Der seit langem eng mit der WDR Bigband verbundene Mendoza nutzt insgesamt mehr die orchestrale Breite, v.a. der Streichereinsatz wie bei Esbjörn Svenssons Love Is Real oder beim Intro zu Joe Samples One Day I will Fly Away sorgt für ein eher sentimentales Format, das keine Berührungsangst dem Barjazz-Modus gegenüber zeigt. Ein Versinken in diesen wird insgesamt dadurch umgangen, dass die orchestralen Mittel ausgesprochen differenziert eingesetzt werden: mit unterschiedlichen Klangfarben wie einer asiatisch anmutenden etwa bei The Moon and the Stars and You oder mit rhythmisierendem Impact wie in dem Cat Stevens-Titel Moon Shadow (!) oder in Same Old Story, einem Titel, aus dem Nils Landgren eine Mitklatsch- und –Sing-Nummer entwickelt, die an seine Zeiten in New Orleans mit den Crusaders oder den Marching Bands seiner schwedischen Jugend erinnert. Der energievolle Rhythmus steckt an: So mancher Symphoniker, Steve Sloane und das Publikum werden von der rhythmischen Woge mitgerissen, man möchte es dem tänzelnden Landgren gleichtun. Standing ovations für einen sympathischen Musiker und Kommunikator, für einen gelungenen Abend mit einer geschickt variierenden Stückeauswahl aus repräsentativen Phasen und Stilistiken von Nils Landgren mit überwiegend balladeskem und sentimentalem, aber auch groovig-swingendem Mood. Die fusion von Jazzern und klassischen Musikern gelingt auch deshalb, weil beide Seiten offen für einander sind und offensichtlich Spaß am gemeinsamen Musizieren haben.

Zum Gelingen trägt ebenfalls die Dramaturgie des Abends bei: Den gemeinsamen Parts von Symphonikern und Jazzern zu Konzertbeginn und nach der Pause geht jeweils eine „klassische“ Ouvertüre voraus: Mozarts Zauberflöte und Verdis La Forza del Destino. Zwischen den notierten Arrangements bekommen die Jazzer einen improvisatorischen Freiraum, den sie souverän mit einem Solo füllen, das anschließend wieder organisch in ein Tutti übergeht. „Fusion“ bedeutet so, dass beide musikalischen Identitäten genügend Raum für sich behalten.

Bedauern mag man lediglich, dass einer der besten Posaunisten, die es im Augenblick im Jazzkontext gibt, sein Instrument so wenig einsetzt und mehr auf die eigene Stimme setzt. Diese muss man ähnlich wie die von Chet Baker als brüchig, als unvollkommen bezeichnen. In den Augenblicken des Posaune-Spiels ist man hingegen fasziniert von der variationsreichen Spielweise Landgrens, als Posaunist zeigt er seine wunderbar vokalen Stärken.

In der Zugabe geben die vier Jazzer mit Bernsteins Somewhere einen Ausblick auf die jetzt erscheinende CD Some Other Time – A Tribute to Leonard Bernstein – ein Projekt, das in der gleichen Jazz-Besetzung wie im Bochumer Konzert mit Holz- und Blechbläsern der Bochumer Symphoniker und mit Vince Mendoza als Arrangeur und Dirigent aufgenommen wurde und zu Landgrens 60. Geburtstag am 15. Februar erscheint. In Kürze dazu eine Rezension von nrwjazz.

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