Gelsenkirchen colourful
Eine Festivalnachlese des Freitagabend
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Peter E. Rytz
Nichts weniger als das hat sich das 3. New Colours Festival auf die Fahne geschrieben. An diesem Festivaltag sind sie an zwei Festivalorten gehisst, die die Macher von PublicJazz Events Susanne Pohlen und Bernd Zimmermann schon vor Jahren als intime Event-Location entdeckt haben.
Im Nordsternturm mit seiner industriell von harter Arbeit geprägten Atmosphäre in der 11.Etage, gekrönt vom Herkules (2010), einer monumentalen Skulptur von Markus Lüpertz, verzaubert das Duo Luciano Biondini (acc) und Klaus Falschlunger (sitar) den Ort in einen Meditationsraum. Im Schloss Horst durchschimmert Yumi Itos Gesang mit Nadav Erlich (b) und Iago Fernandez (dr) den grün blau rot beleuchteten Raum. Anschließend verbindet Pablo Martin Caminero (b) mit Moisés P. Sánchez (p) und Paquito González (dr) baskisch folkloristische Traditionen mit Beethovenscher Klassik.
Die programmatische Festival-Vorgabe, Musik in Kreativität fördernden Orten Raum zu geben, in denen Innovatives und Experimentelles angestoßen und ermöglicht wird, erfüllen die drei Konzerte in den ihnen eigenem Sound mit viel Zustimmung durch das Publikum. Jeweils öffnet sich ein gediegener Sound-Kosmos, erfüllt von wunderbaren Solisten, die den sie begleitenden Musikern viel Raum zur Improvisation geben, wie sie im Zusammenspiel authentische Klänge strukturieren.
Träumerisch animierende Klangbilder
Biondini & Falschlunger, so ungewöhnlich ihre instrumentale Zusammenstellung ist – Akkordeon und Sitar -, so außerordentlich und ungewöhnlich ist auch das Ergebnis. Beide sind auf ihren Instrumenten wahre Meister ihres Faches. Was bei beiden in diesem Konzert vor allem überzeugt, ist ihr kreatives Zusammenspiel. Sie verbinden musikalische Welten aus indischen, europäischen und amerikanischen Kulturkreisen. Mehr noch: Sie schaffen ganz eigene träumerisch animierende Klangbilder. Perfekt in den Soli, noch perfekter im gemeinsamen Atmen ihrer Sound-Gemälde.
Getragen von originellen Fusionen populärmusikalischer und folkloristischer Harmonien, verbinden sie diese mit dem musikalischen Freiheitsanspruch des Jazz: Incredible World. Eine meditative und gleichzeitig spannende musikalische Reise durch die Welt hoch über dem Ruhrgebiet.
Die in der Schweiz als Tochter einer polnischen Mezzosopranistin und eines japanischen Konzertpianisten geborene Yumi Ito, vielfach als Stimmwunder zwischen Art-Pop, Jazz und Neoklassik expressis verbis bewundert, referenziert alle Zuschreibungen mit einer einzigartig kraftvollen Energie. Ihre Performance als Sängerin, die sich am Klavier selbst begleitet, wie auch als Gesangssolistin, von Erlich (b) und Fernandez (dr) in eine harmonisch temperierte Hörspur gehoben, begeistert das Publikum im Schloss Horst mit Songs von ihrem Album Ysla.
Von ihr als das bisher persönlichste Album bezeichnet, auf dem sie sich auf eine fiktionale Insel imaginiert (Lonely Island), entdeckt sie an diesem Abend das Schloss selbst als eine exquisite Klang-Insel. Ihre Musik erzählt weltweit gültige Geschichten hell oder düster von Liebe, Schmerz, Aufbruch und Enttäuschung, im Kleinen wie im Großen. So klar, konzentriert und klug ihre Kompositionen sich geben, so folgen sie vehement einer klaren stilistischen Linie. Eine Reise durch poetische Welten, durch die insbesondere der von Kritikern gerühmte Schlagzeugpoet Fernández sowie der ihm in der Ausdruckskraft wenig nachstehende Erlich virtuos durch Fluten von Klängen, Grooves und Improvisationen manövrieren. Von Love Is Here To Stay bis After The End umfängt ihr Sound die ganze Welt.
Mitreißende Fusion der Kulturen
Das finale Abschlusskonzert des Pablo Martin Caminero Trio kontert Itos soft and lovely mit einem klassisch inspirierten, gleichwohl mit baskischer Full-Power aufgeladenen Sound. Sie verbinden improvisatorische Freiheit mit Flamenco-Rhythmen in einer mitreißenden Fusion der Kulturen. Seine Flamenco-Leidenschaft teilt Caminero mit seinem baskischen Landsmann Paquito González und dem in Madrid geborenen Pianisten und Arrangeur Moisés P. Sánchez.
Mit dem Song Al Toque, der ein Repertoire klassischer Flamencogitarrenthemen reflektiert, demonstrieren sie mit Klang-Esprit die dafür typischen musikalischen Variationen: Falsetas. Caminero stellt seine besondere Bass-Technik und Fantasie wirksam zur Schau. Eine Bass-Performance, die den Pianisten und den Schlagzeuger immer wieder einbezieht.
Caminero transkribiert und arrangiert Flamenco-Kompositionen, adaptiert sie für sein originell musizierendes Trio. In ihnen ist der Drum-Pulsschlag omnipräsent, wie Sánchez‘s Klavierspiel improvisatorisch verbindet. Flamenco, Blues, Jazz, mit Klassik-Bohrungen bis zu Beethoven, wie Caminero lächelnd kommentiert, zu einer virtuosen Fusion über kulturelle Grenzen hinweg: New Colours Festival, the extraordinary state of music!