Gedenkkonzert für Jon Hassel
All Star Band norwegischer Spitzenmusiker*innen
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Am 22. März war der 85. Geburtstag des amerikanischen Fusion Trompeters Jon Hassel, der im Juni letzten Jahres verstarb. Jon Hassel, der in Memphis Tennessee geboren ist, hat einen eigenständigen Musikstil auf der Trompete kreiert, mit Einsatz von Elektronik, Mikrotonalität und Modalharmonien, den er als Fourth World bezeichnete. Anlässlich seines Geburtstages fand in Oslo in der Victoria – Nasjonal Jazzscene ein Gedenkkonzert, das Jon Hassel minnekonsert statt. Es wurde in Kooperation vom Punktfestivalen mit der Nasjonal Jazzscene durchgeführt.
Anlässlich seines Geburtstages fand in Oslo in der Victoria – Nasjonal Jazzscene ein Gedenkkonzert, das Jon Hassel minnekonsert statt. Es wurde in Kooperation vom Punktfestivalen mit der Nasjonal Jazzscene durchgeführt. Die Initiative ging von den Gründern des Punktfestivals Jan Bang und Eric Honoré aus. Der Veranstaltungsort, Victoria – Nasjonal Jazzscene, auf der Hauptstraße in Oslo, ist ein Ort an dem alle wichtigen Jazzkonzerte in Oslo stattfinden. In diesen Wochen spielen dort Musiker*innen wie Brad Mehldau, Bill Frisell, Sylvie Courvoisier, Sheila Jordan, Simin Tander , Lakecia Benjamin, Tineke Postma, Koma Saxo. Myra Melford und viele mehr. Die Atmosphäre in der Konzerthalle erinnert an einen gediegenen englischen Pub, mit vielen Messingbeschlägen, dunklem Holz und einer großen Theke. Im vorderen Bereich sind Tische mit Stühlen, nach hinten erheben sich Sitzreihen und oben gibt es noch eine Galerie.
An diesem Ort trat die Creme der norwegischen Elektronik Jazz Szene, neun Musiker*innen, die in ihrer Musik von Jon Hassel beeinflusst worden sind, gemeinsam auf einem ausverkauften Memorial Konzert auf.
Ein Pionier des elektronischen Fusion-Jazz
Drei Trompeter*innen, Nils Petter Molvaer, Arve Hendriksen und Kristina Fransson, der Gitarrist Eivind Aarset, die Geigerin Harpreet Bansal, der Pianist Jon Balke, der Schlagzeuger und Perkussionist Helge Norbakken und die beiden Elektronik und Live Sampler Eric Honorè und Jan Bang. Alle Musiker setzten neben ihren Instrumenten, die sie elektronisch veränderten auch Sampling ein. Die Bühne war eine riesige Elektronikanlage und inmitten der Kabel und elektronischen Bauteile saßen die Musiker*innen.
Das Konzert war ohne Pause, dauerte über zwei Stunden und bestand aus drei langen Teilen. Die Musiker*innen spielten, in Absprache mit seiner Familie, Stücke von Jon Hassel, über die sie improvisierten, um deren Motive sie herumspielten und die in dieser Form so noch nie gespielt wurden. Allein die Besetzung hatte es so noch nicht gegeben. Die Hassel Stücke waren aus unterschiedlichen Phasen seines Schaffens, wie z.B. aus dem Album Possible Music (mit Brian Eno) oder Dream Theory in Malaya.
Gedenkkonzert am Geburtstag von Jon Hassel
Das Konzert begann mit sphärischer Trompetenmusik von Nils Petter Molvaer, Arve Hendriksen und Kristina Fransson. Gerade im ersten Teil waren Klangteppiche aus langen Tönen, sphärische und entrückte Klänge im Mittelpunkt. Der Pianist Jon Balke schlug auf einer Conga den Rhythmus, neben Helge Norbakken, der hinter Gongs und Trommeln verschanzt war, auch Teile einer Autofelge wurden von ihm eingesetzt. Jon Balke pendelte zwischen Conga und Flügel. Diese Rhythmusgruppe gab der Musik eine deutliche Erdung, bei allen sphärischen Klängen. Nils Petter Molvaer sprach oder sang auch in den Schalltrichter seiner Trompete, bzw. in das Mikro was dort angebracht war. Die junge Trompeterin Kristina Fransson, die bemerkenswert spielte, hielt ihre Trompete mit dem Mikro am Schalltrichter zeitweise über die Saiten des Flügels.
Der zweite Teil des Konzertes wurde von einem Geigensolo von Harpreet Bansal eröffnet. Harpreet Bansal, die in Oslo geboren ist, hat eine Ausbildung in klassischer indischer und klassischer westlicher Musik und hat mit vielen Jazz- und experimentellen Musiker*innen zusammengespielt und ist für ihre Musik vielfach ausgezeichnet worden. In ihrem Geigenspiel war die Synthese von indischer und westlicher Musik wunderbar zu hören. Es gab ein sehr spannendes Duo mit dem Gitarristen Eivind Aarset. Der zweite Teil war deutlich lebhafter und wilder als der erste Teil. Auch der dritte Teil wurde von einem Solo von Harpreet Bansal eröffnet, in das dann ein Trommel Sampling eingespielt wurde. Der dritte Teil hatte mehr experimentelle Anteile, es gab Phasen mit Gluckern, Klackern, abgerissenen Klavierklängen und verfremdeter Gitarre. Begleitet wurden diese unruhigen nervösen Phasen mit ständig wechselnden Beleuchtungen, die einzelnen Lampen flackerten auf und verloschen wieder. Die Lichttechnik wurde während des ganzen Konzertes intensiv eingesetzt, die Bühne war mal blau, dann in grün, gelb oder rot eingetaucht, mit viel Abwechslung. Das Licht entsprach der Musik. Die Instrumentalisten wurden von Eric Honorè und Jan Bang, die an den beiden Bühnenrändern rechts und links hinter ihren Pulten agierten, mit elektronischen Sounds, Live Sampling, Einspielungen und Mixing versorgt.
“Ein historisches Konzert“
Die beiden Gründer des Punktfestivals in Kristiansand, sind trotz ihrer völlig unterschiedlichen Bühnenpräsenz total aufeinander eingespielt. Eric Honoré saß fast bewegungslos hinter seiner Anlage, nur die Hände waren aktiv, sein Gesicht blieb während des ganzen Konzertes gleichmütig unbewegt. Jan Bang dagegen, stand hinter seiner Anlage, bewegt sich hin und her, tänzelt, und drückt seine Musik auch physisch aus. Zwischen den Konzertteilen machte er eine längere Ansage, zu Jon Hassel und zur Musik des Abends. Und er stellt auch die Musiker*innen vor.
Das Konzert hatte schon sinfonische Ausmaße, in der Vielfalt der Töne und an Klangfarben.Musik des 21. Jahrhunderts, Fourth World Music. Ein wirklich großartiges Konzert, ein Konzert der Superlative, das in der norwegischen Jazz Presse als “historisches Konzert“ beschrieben wurde. Ein Konzert das Flügel verliehen hat.
Nach dem Konzert konnte man noch im Saal bleiben etwas trinken und noch mit den Musikern sprechen, eine ausgelassene Stimmung, alle waren beschwingt von der wunderbaren Musik. Besser konnte Jon Hassel nicht gewürdigt werden. In der indischen Tradition sagt man, dass größte Geschenk an den Lehrer ist, wenn das gelernte weiterführt wird. Jon Hassel wäre sicher sehr glücklich über dieses Konzert gewesen, die “Schüler*innen“, die längst selbst Meister*innen sind, verneigen sich vor dem Lehrer, der sie inspiriert hat. “Thank You, Jon“ so sagte es Arve Hendriksen – das drückte alles aus.
Jon Hasselund sein Lehrer Pandit Pran Nath
Jon Hassel beschäftigte sich in seinen jungen Jahren mitCool Jazz, studierte dann klassische Trompete und gehörte zum Kreis der Minimal Music um Terry Riley, bei dessen Erstaufnahme seines berühmten Stückes In C er mitspielte. Hassel gehörte auch zu La Monte Young`s Dreamhouse. Die Ideen und Konzepte des Minimal Pioniers La Monte Young waren wichtige Einflüsse in der musikalischen Entwicklung von Jon Hassel. Für La Monte Young waren lange gehaltene Töne, so genannte Drons, ein wichtiges Element seiner Musik. Der Saxophonist La Monte Young kam ursprünglich vom Jazz der Tristano Schule, sein Altsaxophonspiel war von Lee Konitz und Wayne Marsh beeinflusst. Beim Sopransaxophon war der Einfluss von John Coltrane wichtig. La Monte Young spielte mit Ornette Coleman, Don Cherry und Eric Dolphy. Die Improvisationstechniken des Jazz waren auch in seiner späteren Musik wichtig.
La Monte Young interessierte sich zunehmend für indische und japanische Musik. Er lernte den indischen Sänger Pandit Pran Nath aus der Kirana Gharana Tradition kennen und nahm bei ihm Unterricht, zuerst in Indien und später in den USA, wo sich Pran Nath niederließ. Auch Jon Hassel folgte diesem Beispiel und wurde Schüler bei Pandit Pran Nath, ebenso wie Terry Riley und auch Lee Konitz.
Hassel übertrug die Khirana Gesangstechniken auf sein Trompetenspiel. Er blies gesangartig moduliert in seine Trompete und produzierte so mikrotonale Klänge. Dies führte zu einem völlig neuartigen Trompetenspiel. Obwohl es auch Einflüsse von Miles Davis gab, ist Hassels Trompetenspiel in seiner Art einzig gewesen.
Hassel integrierte im Laufe der Zeit Musik aus aller Welt von Afrika bis Asien in seine Musik. Er schöpfte aus der traditionellen ethnischen Musik und verwob sie mit Jazz, Minimal und neu entwickelter elektronischer Musik zu einer gänzlich eigenständigen Musik, die er Fourth World nannte.
Bericht über das Punkt Festival 2021:
https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2021/PUNKT_Festiival_2021_/