Ganz für sich allein und miteinander

Improvisieren hat manchmal auch mit improvisieren zu tun. Was damit gemeint ist? Da hatte die Sängerin Natalia Kies einen Auftritt in ihrer Triobesetzung geplant, dann fielen jedoch ihre beiden Bandmitglieder Connor Shafran und Lukas Schwegmann krankheitsbedingt aus. Doppelt schade, wenn das Konzert bei FineArtJazz im Dorstener LEO ausgerechnet zur Release-Tournee mit dem attraktiven neuen Albums „Phoenix“ geht. Die Dinge neu zu organisieren und das Konzert in eine Solo-Performance zu verwandelt, brauchte eine gewisse Anlaufzeit...

Auf einmal gibt es keine Kommunikation mehr mit den Bandmitgliedern. Also warum dann nicht sich stärker dem Publikum zuwenden? Natalia Kies machte aus der Not eine Tugend. Erzählte umso mehr von ihren persönlichen Hintergründen zu den Stücken. Zum Beispiel von ihren Reiseeindrücken aus Indien. Irgend ein seltsames Viech macht draußen in der Nacht ein merkwürdiges, wiederkehrendes Klopfgeräusch. Wer schon mal mit offenen Ohren ein tropisches Land bereist hat, nimmt eine Fülle solch fremdartig-faszinierender Höreindrücke mit. Natalia Kies imitiert die Textur mit ihrer Stimme, übergibt dies dann ihrem Loopgerät und hat schon den Rhythmus ihres nächsten Songs und auch die Komposition in petto. Ein anderer handelt von einem Regentropfen auf seinem Weg von der Wolke bis zum Aufplatzen auf dem Boden.

Hauptsache Fantasie!

Diese Künstlerin hat eine verspielte Fantasie und sie schafft es, dies in ihre Kompositionen, ihr experimentierfreudiges Songwriting und daraus sich ergebende Melodien hinein zu ziehen und dies auch in einer oft verspielten Klangwelt facettenreich auszubreiten. Auf englisch, deutsch und manchmal polnisch singend und flüssig phrasierend ist sie dabei gesanglich über allen Zweifel erhaben. Ebenfalls beherrscht sie sehr abwechslungsreich das Klavier, schickt zudem alles durch Elektronik und Hallgeräte, nimmt diverse Kleininstrumente und Gegenstände zur Hilfe, wenn es um weitere Gimmicks zur lautmalerischen Verdichtung geht. Das alles erzeugt eine Mischung, die von charmanter Kreativität durchdrungen ist.

Allerdings musste sich Natalia Kies erst mal in der unerwarteten Situation einer Solo-Performance ganz neu orientieren. So manchem im Publikum fehlte die Geduld, so dass einige schon nach der Pause gingen. Wer blieb wurde mit einem zweiten Konzertteil belohnt, bei dem ein adhoc erdachtes Konzept dann doch recht gut aufging und kam in den Genuß einer wortwörtlich unvergleichlichen Exlusiv-Performance.

ALBUM

Natalie Kies : Phoenix

jazzsick records 2023