Gabriel Costa Jung
Verstörende Performance in den Rottstr.5 Kunsthallen
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Ein Konzert in den Bochumer Rottstr.5 Kunsthallen verspricht immer eine spartensprengende reine Off-Performance. Die der beiden Perkussionisten Fabian Jung und Gustavo Costa und des Saxophonisten Julius Gabriel machen da keine Ausnahme. In den Hallen ist Julius Gabriel schon häufiger aufgetreten: etwa mit Tanz-Musik-Performances mit Gunter Hampel und dem Tänzer Danilo Cardoso oder mit der Dada-Band Das Behaelter. Auch der Auftritt mit dem Kölner Perkussionisten und dem Portugiesen Gustavo Porto ist ein Dada-Noise-, ein an Fluxus-Aktionen erinnerndes Happening, für das es eigentlich keine angemessene sprachliche Etikettierung gibt.
Fabian Jung hat auf seinem Werk-Tisch allerlei präparierte Alltagsgegenstände ausgebreitet, die im Laufe seiner Aktionen zum Einsatz kommen, Julius Gabriel konzentriert sich ganz auf sein Tenor, dem er ganz selten typische Saxophon-Klänge und -Läufe entlockt, dafür eine Vielzahl von unterschiedlichen Atem-, Pfeif-, Klappen-, Überblasgeräuschen mit und ohne Mundstück. Der Gast aus Porto – neben der Rolle des Perkussionisten hat er sich als Elektroniker, Komponist und Musiktheoretiker in der portugiesischen Szene seit über zwei Jahrzehnten einen Namen gemacht – holt aus seinem Laptop, einem Sequenzer und einem Effektgerät Loop- und Geräusch-Elemente hervor, die von einem „analogen“ Soundapparat erweitert werden, der an eine große Zigarrenkiste erinnert. Diese ist an der Deckelkante mit Saiten bespannt, der Innenraum enthält allerlei Metallteile und dient als Resonanzkörper. Die Saiten werden mal behutsam gestrichen, geschlagen oder mit Kamm und Drahtbürste traktiert.
Fabian Jung beginnt unter merkwürdigen Geräuschen, seinem Kopf zunächst eine Plastiktüte überzustülpen, anschließend verklebt er mit viel Tesaband den Kopf mit einer Snaredrum. Dabei entstehen neben perkussiven Tönen multiple Stimm- und vor allem Plastikgeräusche, es folgen Schreie, Laute beim Umblättern von Papier, Mitsingen von Saxophontönen, das Kratzen eines Folienstiftes, aber auch angedeutetes Vorlesen aus Friedrich Engels’ Zur Wohnungsfrage oder aus Marcus Steinwegs Bataille Maschine. Die visuellen Reize der dadaistischen Aktionen absorbieren eher den Sehnerv, das Tesa-Geflecht lenkt ein wenig ab von dem entstehenden feinsinnigen Klang-Geflecht des Trios.
Aufgeschreckt wird der ansonsten hoffentlich schreckfreie Rezipient von Fabian Jungs energischem Schlagen auf den Tisch mit einem dicken Holzklotz oder einem Schellenbaum. Interessanterweise fügt sich der unbändige performative Kraftakt von Fabian Jung in das gesamte Gewebe von Noise, das durch die eher subtile Klangerzeugung von Gustavo Costa und dem Saxophon entsteht. Zu erkennen ist, wie sich allmählich ein energetisches Kraftfeld aufbaut und konzentriert auf einen Höhepunkt zusteuert. Die Peripetie bildet dann auch den Schlusspunkt, die Klangmoleküle lösen sich in plötzlicher Stille auf. „Gibt es eine Zugabe?“ Die Frage eines ob der Kürze des Konzerts, immerhin offensichtlich nicht ob der Performance irritierten Zuhörers bringt den Saxophonisten zunächst ins Schwanken, Julius Gabriel verweist dann zurecht darauf, dass man nicht an die Energie des vergangenen Moments anknüpfen könne. Konzerte wie diese folgen eben eigenen musikalischen, performativen und rituellen Gesetzen, ihre ästhetische Absicht liegt in der Verstörung.