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Fünf Jahre Experimentale Troisdorf

Improvisationsmusik Im Kunsthaus

Troisdorf, 12.10.2022
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Frank Baquet

Nun gibt es die Experimentale im Kunsthaus Troisdorf schon im fünften Jahr. Ungewöhnliche Musik im Ambiente bildender Kunst. Musik in Ausstellungsräumen, flankiert von Malerei oder Fotokunst. Siggi Loch der Chef des renommierten ACT Labels und Kunstliebhaber hat in Berlin die Institution der Gallery Concerts eingeführt, Konzerte umgeben von Kunst als eine Symbiose von zwei künstlerischen Ausdrucksformen. In Troisdorf veranstaltet Frank Baquet diese Art von Konzerten schon seit fünf Jahren im Festivalformat und als Einzelkonzerte im Kunsthaus.

Das Philip Zoubek Trio eröffnete das Festival

Das erste Konzert der diesjährigen Experimentale beginnt mit dem Philip Zoubek Trio, einer Band, bei der alle drei Bandmitglieder schon mit dem Kölner Jazzpreis ausgezeichnet wurden und der Bandleader 2020 WDR Jazzpreisträger war, eine Art Allstar Band. Philip Zoubek am Klavier, David Helm am Kontrabass und Dominik Mahnig am Schlagzeug. Die Stücke sind von Philip Zoubek geschrieben, mit Raum zur Improvisation.

Das Konzert beginnt mit einzelnen Tönen von Philip Zoubek am Klavier, mit deutlichen Pausen, begleitet von einem sehr zurückgenommenen Schlagzeug Dominik Mahnings und einem Kontrabass, den David Helm mit dem Bogen streicht. So haben Musiker und Publikum Zeit sich einzuspüren. Dann wird die Musik rhythmisch vorantreibend, geht wieder in einen ruhigen Modus über um wieder Fahrt aufzunehmen. Wellenartig schwillt die Musik an und ab. Philip Zoubeks Spiel wechselt zwischen abstrakten Teilen und impressionistischen Bildern. Dominik Mahnig wirkt wie immer rastlos an seinem Schlagzeug, mit immer neuen rhythmischen Figuren und spannenden Klängen, die er mit unterschiedlichen Utensilien erzeugt, von kleinen Deckeln, Tamburin, mit einem Bogen an den Trommeln streichen und vieles mehr.

Zwischendurch spielt Zoubek schnelle Akkordfolgen ohne Pause, ein fast perkussives Spiel, das von Bass und Schlagzeug aufgegriffen und betont wird. Dann treibt der Bass einen Beat voran, den Dominik Mahnig begleitet, gleich bleibender Rhythmus über eine längere Zeit und Philip Zoubek spielt rasend schnell Klavier dazu. In einigen Passagen sind die Pausen sehr betont und nehmen ebenso viel Raum ein wie die Töne, dann wieder entwickelt sich ein dichter schneller atemloser Sound. Die Musik des Trios ist immer aufregend, es öffnen sich ständig neue musikalische Räume. Ein fulminanter Auftakt des Troisdorfer Festivals.

Sawt Out schaffte Klanglandschaften wie aus einem anderen Universum

Auch die nächste Formation ist ein Trio, Sawt Out, 2015 in Berlin gegründet, mit einer ungewöhnlichen Instrumentierung: Burkhard Beins Percussion, Masen Kerbaj, Trompete und Michael Vorfeld, Percussion. Diese akustische Formation erschafft Klänge wie aus einem anderen Universum. Die beiden Perkussionisten streichen mit Bögen an ihren Trommeln und der Trompeter, bläst in ein verlängertes Rohr und moduliert ebenfalls mit einem Bogen die Töne. So ist das Trio phasenweise ein “Streicher Trio“ an ungewöhnlichen Instrumenten.

Aber die Perkussionisten können ihre Felle nicht nur streicheln, sondern sie auch kraftvoll mit ihren Trommelstöcken bearbeiten. Masen Kerbaj bläst die Trompete gegen Blech, benutzt einen Schlauch zum Hineinblasen und bewegt die Trompete hin und her. Mit all diesen erweiterten Techniken wird der Sound des Trios erzeugt. Wer die Augen während des Konzertes schließt, findet unmöglich heraus wie die Klänge erzeugt werden, aber sie bilden Klanglandschaften von einer rauen unwirklichen Schönheit.

LITA – Yaroslav Likhachev und Daniel Tamayo

Das Duo LITA (setzt sich aus den ersten Silben der Namen der Musiker zusammen), ist kurzfristig in das Programm aufgenommen worden. Yaroslav Likhachev ist Saxophonistund Daniel Tamayo spielt E-Gitarre und Elektronik. Beide Musiker haben schon im Kunsthaus mit ihren Quintetts gespielt. Sie sind beide als Komponisten aktiv. In ihrer Musik sind sie auf der Suche nach neuen bisher unbekannten Klängen. Zu Beginn des Konzerts dominieren lange hohe Töne, eine Art von Pfeiftönen und bilden eine Art Basis Sound. Dorthinein, werden manchmal Saxophonlinien gespielt oder die Töne oszillieren, manchmal entsteht auch ein Rhythmus. Manche Passagen erinnern an eine Violine in hohen Registern. Im weiteren Verlauf tauchen auch definierbare rhythmische Strukturen auf, die Gitarre wird perkussiv benutzt. Das Saxophon erzeugt Sauggeräusche und geht dann wieder in lange Haltetöne über. Zwischendurch wird es noisig, mit unterschiedlichen Geräuschen, Klopfen und Poltern bis hin zu dumpfem Dröhnen. Nach dem langen einförmigen Beginn entwickeln die beiden Musiker im Laufe des Konzerts eine große Bandbreite an sehr unterschiedlichen Klängen. Improvisierte Musik auf der Suche nach neuen Klängen.

Barbara Barth – All or nothing at all

Die Sängerin Barbara Barth mit Sebastian Büscher am Tenorsaxophon, Bassklarinette und Veit Steinmann am Cello haben als Motto: All or nothing at all. Voller Einsatz, Risiko, Mut aber auch Sensibilität und Gefühl bestimmen ihre Musik. Eigene Kompositionen, aber auch die Adaption von einem schottischen Volslied (Ten thousand miles) oder Jazzrepertoire sind im Programm des Trios. Barbara Barth singt niemals cool, sie zeigt ihre Gefühle in der Musik und lässt das Publikum teilhaben. Die Botschaft der Songs wird auch in den Ansagen mit dem Publikum geteilt. Einige Stücke sind rein akustisch, bei anderen Stücken wird Elektronik eingesetzt, bis hin zu noisigen Klangteppichen. Die meisten Songs haben einen Text aber manchmal singt sie auch nut Melodielinien ohne Worte. In einigen Stücken stehen Musik und Gesang gleichwertig nebeneinander, eine Strophe wird gesungen und eine ist instrumental, im Wechsel. Auch wenn der Gesang von Barbara Barth im Mittelpunkt steht sind die beiden Instrumentalisten so spannend, dass ihre Musik auch ohne Sängerin funktionieren würde, umso mehr aber mit Sängerin.

Niehusmann/Wörmann – Buch der Wendungen

Frank Niehusmann an der Elektronik und Hainer Wörmann an der E-Gitarre produzieren Soundcollagen, die sich aus vielfältigen Geräuschen und Klängen zusammensetzen. Hainer Wörmann benutzt die Gitarre oft als Laptop und setzt vielerlei Materialien ein, wie Violinbögen, Bürsten, kleine Motoren, Plastikgabeln, Styropor, Papier, Keksschachteln, Röhren, Steine und anderes mit denen er die Saiten seines Instrumentes bearbeitet. Dabei hat er eine Vorliebe für kurze Töne, die nicht nachklingen und Frank Niehusmann ist ebenfalls ein Computermusiker der schnellen kurzen Töne und Geräusche. Durch schnelle Wendungen entsteht eine Klangwelt mit vielen Brüchen. Noise, Industrial, oder Music Concrete das sind alles Elemente ihrer Musik, die aber nur als Annäherungen dienlich sind die Musik zu beschreiben. Ihre LP Kabel von 2019 schaffte es sogar auf die Longlist des Deutschen Schallplattenpreises.

Georges Paul und Rainer Weber boten Improvisation auf höchstem Niveau

Zum Abschluss des Festivals spielen Georges Paul, Saxophon und Kontrabass und Rainer Weber, Bassklarinette und Klarinette. Eigentlich wollten sie als Trio mit dem Essener Schlagzeuger Simon Camatta spielen. Leider war Camatta verletzt und musste absagen. Georges Paul, in Saloniki geboren und in Bonn lebend, ist auf dem Festival kein Unbekannter mehr. Er ist ein ideenreicher Improvisationsmusiker, der gerne auch im energetischen Freejazz Bereich spielt. Auch Rainer Weber ist nicht zum ersten Mal im Kunsthaus Troisdorf, so hat er im August mit einem Quartett dort gespielt und der Konzertmitschnitt ist als digitales Album mit dem Titel Breeze veröffentlicht worden.

Beide Musiker sind also versierte Improvisationsmusiker, die aus einem großen Fundus an musikalischen Ideen schöpfen und daraus im gegnwärtigen Moment neue Musik entwickeln. Ihre Improvisationen reichen von wilden Freejazz Phasen bis hin zu sehr feinfühligen zarten Klängen. Durch den Wechsel der Klarinetten und den Wechsel von Saxophon zu Kontrabass, kommen noch zusätzliche Klangfarben ins Spiel. Natürlich werden auch extented techniques eingesetzt. So ist auch das letzte Konzert des kleinen Festivals im Kunsthaus Troisdorf ein Highlight.

Sechs Konzerte, alle völlig unterschiedlich, sechs Facetten experimenteller Musik, von völlig freier Improvisation bis hin zu notierter Musik mit Improvisation. Anregende Musik, manchmal sperrig, eckig oder spröde, aber nie langweilig, oft von unterschwelliger Schönheit, die sich erst zeigt, wenn das Publikum sich auf die Musik einlässt und tief in sie eindringt.

Musik jenseits des Mainstream als ästhetische Bewusstseinserweiterung. Die Experimentale ist ein kleines Festival, das aber in der Festivallandschaft im Rheinland und NRW nicht fehlen darf.

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