Fuchsthone Orchestra Reloaded V
Programm voller Energie und Emotionen
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Das Fuchsthone Orchestra unter Leitung von Christina Fuchs und Caroline Thon besteht seit 2019 und stellt nun sein Programm Reloaded V vor. Das Orchester ist ein Live Ensemble und kein Repertoire Ensemble. Die beiden Leiterinnen möchten einen dynamischen Klangkörper haben, der sich in der gemeinsamen Zusammenarbeit weiterentwickelt. So werden ältere Stücke überarbeitet und neu arrangiert und vor allem immer neue Stücke geschrieben. Dabei legen Christina Fuchs und Caroline Thon wert darauf, dass die Musiker*innen des Ensembles genügend Freiräume für Improvisation und eigene Ideen haben. Damit unterscheiden sie sich deutlich von der klassischen Big Band. Auch die Instrumente im Orchester weichen vom üblichen Big Band Modell ab, so haben sie eine Geigerin und vor allem eine Elektronik Musikerin in ihrer Besetzung. Das neue Programm stellten sie in der Jazz Schmiede Düsseldorf vor.
Zuzana Leharová entlockt ihre Geige schräge dissonante Klänge, begleitet wird sie von schrillen Bass Tönen von Alex Morsey, dazu werden elektronische Geräusche von Eva Pöpplein zugespielt. Besser kann Missstimmung, Aufgeregtheit und Reizbarkeit musikalisch kaum ausgedrückt werden. Caroline Thon hat diese Einleitung zu ihrer Komposition gewählt um Stresssituationen des Alltags in Musik auszudrücken. In der Moderation bringt sie als Beispiel für diesen Stress eine Vorfahrt, die einem genommen wird. Sie erkennt aber, dass es auch möglich ist gelassen zu reagieren und die Nerven zu behalten. So bricht das dissonante Intro ab, nach dem es sich mit wildem Geigenspiel hochgeschaukelt hat und Geige und Bass spielen ein harmonisches Duo, in das dann das ganze Orchester einsetzt und das Stück sich entfaltet langsam.
Schon direkt zu Beginn wird deutlich, das die Elektronik gut in die Musik integriert ist und Eva Pöpplein genug Raum hat ihre Qualitäten zu einzusetzen. Nicht nur die Elektronik durchzieht das ganze Konzert, sondern auch Caroline Thon s Auseinandersetzung mit Emotionen und ihre musikalischen Umsetzung.
Christina Fuchs spielt in ihren Kompositionen Echochambers I+II ebenfalls mit unterschiedlichen Gefühlen und Wahrnehmungen. Sie beschäftigt sich mit den Begriffen Cloud und Babble – Wolke und Blase, die vermittels der digitalen Welt Einzug in unseren Alltag gefunden haben. Christina Fuchs arbeitet mit dem Spannungsverhältnis, das diesen Begriffen innewohnt. Cloud als Speicher in der virtuellen Welt und als Wolke am Himmel in der realen Welt. Eine Blase, in der wir gefangen sein können und Blasen, die im Wasser aufsteigen und von Lebendigkeit zeugen. Das Stück beginnt mit Gesang von Filippa Gojo , begleitet von Andreas Wahl an der E-Gitarre und elektronischen Einspielungen, gefolgt von einem schönen Trompetensolo. Im folgende entwickelt sich dann ein bemerkenswertes Duett von Filippa Gojo , die Melodielinien ohne Worte singt, begleitet von Roger Hanschel mit sehr feinen Linien am Altsaxophon. Das Duett wird immer intensiver und dringlicher, es ähnelt flehenden Klagerufen der griechischen Tragödie. Harte Beats und Trommelwirbel von Jens Düppe verstärken diese Stimmung. Anklänge davon sind auch in einem Klarinettensolo von Martin Gasser zu hören, das Jens Düppe mit einem dupfem Beat unterlegt. Dazwischen gibt eine rockige Triopassage von E-Gitarre, Bass und Schlagzeug. Wassergeräuscheund Blubbern von Blasen gehen mit einem schönen Bassklarinettensolo von Veit Lange einher.
Caroline Thon s Inside me setzt sich mit den inneren Stimmen auseinander, die inspirieren und wegweisend sein können, aber manchmal auch in die Irre führen. In der Jazz Schmiede erklingen viele Stimmen durcheinander, von Eva Pöpplein einspielt. Laia Genc spielt dazu sowohl auf den Tasten des Flügels als auch auf den Saiten, begleitet von Zuzana Leharová an der Geige, von Klarinetten und Flöte und dem Gesang von Filippa Gojo . Dann setzt das ganze Ensemble ein. Daraus entwickelt sich ein spannendes Trio aus E-Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug begleitet von Eva Pöppleins Elektronik. Ein weiteres bemerkenswertes Trio bilden dann Roger Hanschel am Altsaxophon, Laia Genc am Flügel und Jens Düppe am Schlagzeug. So bildet sich Carolines Innenwelt in unterschiedlichen spannenden musikalischen Facetten ab.
Christina Fuchs widmet sich dem alten Menschheitstraum, dem Fliegen. Im Sommer ist sie in der Schweiz zum ersten Mal mit einem Paraglider geflogen. Die warmen Aufwinde spielen dabei eine wichtige Rolle, deshalb der Titel Thermal Winds. Eva Pöpplein bringt Windgeräusche in den Raum, die Bläser machen Luftgeräusche an ihren Instrumenten und Jend Düppe setzt Plastiktüten als Instrument ein. Soviel Wind, man hätte fast schon in der Jazz Schmiede abheben können. Aber die Geräusche sind fein verwoben mit der Gesamtkomposition. Laia Genc setzt mit dem Klavier ein, dann kommen Geige und Rhythmusgruppe dazu. Martin Gasser spielt ein schönes Sopransaxophonsolo. Mit dem Bild des Paraglidings im Hinterkopf, bekommen viele Stellen in Christinas Komposition die Anmutung von Landschaften, über die man fliegt und die man von oben betrachten kann. Am Ende der Komposition landet man mit tiefen Tönen wieder auf der Erde.
Nachdem das Orchester bereits Carolines Innenwelt erkundet hat, ist sie nun außer sich, ob der dunklen Ereignisse in der Welt. Sie stellt die Frage, wie es sein kann, dass die Frauen im Iran brutal unterdrückt und ermordet werden, ohne das der ganze Westen aufschreit. Die Komposition heißt folgerichtig Outside me. Wie im Eingangsstück, geht es mit dissonanten Klängen los, die aber völlig anders produziert werde. Geige, Bass und Elektronik gehen mit schrillen Klängen voran, begleitet von den Holzbläsern, die nur in die Mundstücke und S-Bögen blasen. Filippa Gojo macht kauzige abgehackte Töne, Jens Düppe spielt harte Beats dazu und kurze abgerissene Posaunenklänge kommen hinzu. John-Dennis Renken spielt dann ein wildes Solo mit schnellen, kurzen, gepressten Tönen und Matthias Muche führt den wilden Reigen mit einem langen Solo weiter.
Am Ende ist dann der Wurm drin, der Holzwurm. Christinas Fuchs Stück Strukturen V ist inspiriert von den Bohrungen des Holzwurmes und den Strukturen, die er dabei hinterlässt. Eine weitere Quelle ihrer Inspiration ist das Tischtennisspiel, eine Leidenschaft von ihr.
Eingeleitet wird das Stück von Eva Pöppleins elektronischen Klängen und Laia Genc am Klavier, begleitet von Jens Düppe am Schlagzeug. Die drei spielen dann unisono eine rhythmische Figur. Danach spielt Zuzana Leharová ein Solo begleitet von der Rhythmusgruppe. Das Stück klingt aus, wie es begonnen hat, mit elektronischen Klängen und Klavier.
Eine unglaubliche Fülle an musikalischen Ideen, an filigranen Klanggebilden, wuchtigen Passagen und schrillen, dissonanten Einsprengseln. Traumhafte Soli, von denen ich nur einige wenige genannt habe, aber Matthias Bergmann , Veit Lange, Matthias Schuller und andere, nicht einzeln erwähnte, Musiker haben mit ihren Soli und Beiträgen, ebenso das Klangbild geprägt, wie die genannten Musiker*innen. Eine ungemein dichte und in sich kohärente Musik, bei aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit. Die sprühende Emotionalität von Caroline Thon s Stücken und Christina Fuchs forschende Beobachtung von Gegensätzen und Naturerfahrungen bilden zusammen ein wunderbar zueinander passendes Ganzes. Reloaded V hebt das Orchester auf eine neue Stufe. Sicher hat der Raum der Jazz Schmiede in Düsseldorf auch dazu beigetragen, das dass Musikerlebnis sehr unmittelbar war. Die beiden Orchesterleiterinnen und ein großer Teil der Bläser saßen auf gleicher Höhe wie das Publikum, näher dran geht nicht mehr. Ich habe das Fuchsthone Orchestra seit seinem ersten Konzert 2019 im Stadtgarten begleitet und muss sagen, dieses Konzert ist für mich bisher das intensivste Konzerterlebnis gewesen. Christina Fuchs sagte zu Beginn ihrer Arbeit mit dem Orchester, dass sie auf eine Reise gingen und offen seien wo diese Reise sie hinführe. Reloaded V ist ein ungemein fesselnder, lebendiger und vielfältiger Abschnitt dieser Reise. eine Klangreise, die unser Leben, Innenwelt und Außenwelt neu entstehen und erleben lässt.
Besetzung des Fuchsthone Orchestra auf dem Konzert in der Jazz Schmiede:
Leitung & Komposition_ Christina Fuchs & Caroline Thon
Reeds_ Roger Hanschel , Martin Gasser, Veit Lange, Jens Böckamp , Susanne Weidinger
Trumpets_Simon Eckert, Janos Löber, John-Dennis Renken,
Matthias Bergmann
Trombones_ Paul Lüpfert,
Matthias Schuller
,
Matthias Muche
, Friedrich Falkenhagen
Filippa Gojo _Voc, Zuzana Leharovà_ Violin, Laia Genc _Piano
Andreas Wahl
_Git, Alexander Morsey_Bass,
Jens Düppe
_Drums
Eva Pöpplein_electronics