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Reloaded on the road again

Fuchsthone Orchestra im Stadtgarten

Köln, 03.06.2024
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam

Im Stadtgarten Köln stellten Christina Fuchs und Caroline Thon mit ihrem Fuchsthone Orchestra ihr neues Programm Reloaded #6 vor. Dieses offenbart neue Kompositionen voller Durchschlagskraft, aber auch mit viel Poesie.

Auch wenn es ihr sechstes Programm war, so waren die beiden Komponistinnen und Leiterinnen des Fuchsthone Orchestra trotzdem etwas aufgeregt. Für ein über 70-minütiges Programm hatten sie nur zwei Probentage zur Verfügung und wir sprechen hier von einem Large Ensemble mit 20 Musiker*innen. Aber das ist auch der Anspruch von Christina Fuchs und Caroline Thon , sie wollen kein Repertoire Ensemble leiten, sondern einen Klangkörper, den sie immer wieder neu erfinden.

Ihre Kompositionen sind immer aus sinnlichen Erfahrungen gespeist. Ob es Erlebnisse in den Schweizer Bergen sind oder politische und soziale Ereignisse, wie das Flüchtlingselend im Mittelmeer, immer ist die persönliche Anteilnahme das Ausgangsmoment, aus dem sich eine komplexe und vielgestaltige Musik entwickelt. 

SUITE SPACE – MUSIK ERSCHAFFT KLANGRÄUME

Das Konzert wurde mit einer Suite mit dem Titel “Space“ von Caroline Thon eröffnet, genauer gesagt mit den ersten beiden Sätzen der Suite, da der dritte Satz noch nicht fertig gestellt war. Ausgangspunkt war Carolines Blick aus ihrem Fenster in den öffentlichen Raum auf Straße und Kinderspielplatz und die Frage: Wie gehen wir mit diesem öffentlichen Raum um? Eva Pöpplein schuf mit ihrer Elektronik einen Klangraum in dem sich ein Sopransaxofon Solo von Julian Drach entfaltete. Die Musik dehnte sich dann immer weiter in den Raum aus, mit einem intensiven krachigen E-Bass Solo von Alex Morsey, der sonst mit seinem Kontrabass dem Ensemble ein Fundament gibt. Einige Musikerinnen gingen mit Klangschalen bis in die Sitzreihen des Publikums. Der öffentliche Raum wurde buchstäblich in Besitz genommen. Über der Bühne wurden Texte mit Denkanstößen zum Thema Raum projiziert. Etwa die Sicht der Soziologie, in der gesagt wird, dass Individuen handeln und dabei Räume herstellen, aber dass Räume auch Handlung strukturieren, sowohl begrenzen, als auch möglich machen. Tatsächlich konnte diese Beschreibung von Raum in der Musik konkret erlebt werden. Z.B. wenn die Posaunen einsetzten und sich das lebendige Hin und Her auf dem Kinderspielplatz aufdrängte. Aber auch auf abstrakter Ebene, wenn Zuzana Leharová mit einem ausgedehnten Geigensolo und starker Schlagzeugbegleitung von Jens Düppe einen Raum kreierte, den Eva Pöpplein mit ihrer Elektronik dann begrenzte und das Geigensolo zertrümmerte. Diese Erfahrung wiederholte sich bei dem Pianospiel von Laia Genc , das auch einen Klangraum entwickelte, der dann von der Elektronik begrenzt wurde. Und doch am Ende gab es noch ein melodisches Klaviersolo mit dem der zweite Teil der Suite ausklang. Bleibt noch zu erwähnen, dass die Sängerin und Klangkünstlerin Barbara Barth , die zum ersten mal im Orchester dabei war, immer wieder Akzente setzte, oft mit wortlosem Gesang. Im weiteren Verlauf des Konzertes wurde ihre Rolle noch deutlich prominenter.

 LAI NAIRS (SCHWARZER SEE) – NATURERLEBNIS IN DEN BERGEN

Inspiriert zu diesem Stück wurde Christina von der kargen urtümlichen Gesteinswelt der Schweizer Alpen im Februar. Sie war so ergriffen von der Gewaltigkeit der Felsen, dass sie am liebsten mitgenommen hätte. Aber zwei Steine wie Faustkeile geformt hat sie mitgebracht und Jens Düppe gestaltete mit dem Gegeneinanderschlagen der Steine gemeinsam mit Eva Pöpplein das Intro für die Suite. Eva setzte Life Sampling ein und erweiterte so die Steinklänge. Die Rolle von Eva Pöpplein im Orchester hat von Programm zu Programm an Bedeutung zugenommen. Bei Reloaded #6 war sie es, die immer wieder Klangräume aufbaute, um bei der Raum Metapher der Space Suite zu bleiben, sie griff aber auch gestaltend in die Musikereignisse ein, veränderte und modulierte sie und erweiterte sie mit neuen Klängen. 

So entwickelte Eva aus den Steinklängen einen Rhythmus, den Jens Düppe dann am Schlagzeug aufgriff, gefolgt von Alex Morsey am Bass, Andreas Wahl Gitarre und rhythmischen Tastenanschlägen von Laia Genc am Piano, kamen dann Holz-, Blechbläser und  Gesang dazu. Aus dem Geräusch von zwei Steinen schälte sich nach und nach das ganze Stück heraus. Mit einem Tenorsaxofon- und Posaunensolo ging es dann in veritablen Swing über, der dann zu einem rockigen Gitarrensolo von Andreas Wahl überleitete, mit dem das Stück ausklang. Damit endete das erste Set.

Es ist schon unglaublich, was Christina Fuchs und Caroline Thon an musikalischen Ideen in ihre Stücke einbringen und sie doch trotz aller unerwarteter Wendungen immer zu einem kohärenten Ganzen zusammenzubringen.

SUITE ABOVE & UNDER WATER - WIR SITZEN ALLE IM SELBEN BOOT

Die Eröffnung nach der Pause, von Christina Fuchs, war wieder eine Suite, auch hier nur zwei Sätze, weil der dritte noch in der Mache war. Das Publikum wurde von der Musik auf eine harmlose Bootsfahrt geführt, diese Fahrt wurde aber zu einem Albtraum, plötzlich befanden sich alle auf einem überfüllten Flüchtlingsboot. Die Suite trug den Titel: Suite Above & Under Water. Sie begann mit elektronischen Einspielungen von Stimmen und Geräuschen und dazu ein Kontrabass Solo. Roger Hanschel spielte ein Sopransaxofon Solo mit leisen Tönen, das immer wilder wurde und in ein dramatisches Ensemble Tutti überging. Das Solo wurde zu einem Klageruf und als extremer Gegensatz dazu tönte swingende Barmusik aus dem Orchester. Kira Linn spielte dann ein melodiöses Solo auf ihrem Baritonsaxofon, es kam zu einem Bruch, Evas Pöppleins Elektronik befeuerte das Chaos, Barbara Barth sprach voller Inbrunst: “Wir sitzen alle im selben Boot…“ Es folgen ein Altsaxofon und Flügelhorn Duo, das in schrille Unruhe überging. Das Publikum wurde aus der Komfortzone geholt, eine Vorbereitung für das letzte Stück.

 OUTSIDE OF ME II – EINE ZUMUTUNG

Nun mute sie dem Publikum etwas zu, sagte Caroline Thon . Die Lage in der Welt sei eben auch eine ungeheure Zumutung und darüber gerate sie manchmal außer sich. Nach einer Solidaritätsdemonstration mit den Frauen im Iran sei sie so empört und außer sich gewesen und habe dies in Musik umgesetzt: “Outside Of Me II. Heraus kam eine wilde Klanglandschaft, die das Chaos in der Welt abbildete. Wir hörten Sprache, einzelne Töne, chaotisches Durcheinander, die Töne schwirrten um uns herum. Alex Morsey strich wild seinen Bass, Barbara Barth produzierte schnalzende, klackende, schnarrende und knarrende Geräusche begleitet von Jens Düppes expressivem Schlagzeugspiel. Alle Instrumente schienen außer Rand und Band. Eine Zumutung? Nicht mehr als der Zustand der Welt.

Mit dieser “Zumutung“ endete ein Konzert, das angefüllt war mit großartigen Kompositionsideen und mit herausragender Musik eines wunderbaren Orchesters. Das Publikum wusste dies mit riesigem Applaus zu würdigen. Und als Zugabe gab es noch eine Flugerfahrung, ohne chemische Substanzen, rein musikalischer Art, mit dem Stück “Thermal Winds“ von Christina Fuchs, das von einem Paraglider Flug inspiriert war.

Auch wenn ich nicht alle zwanzig Musiker*innen im Text erwähnt habe, ja nicht einmal alle Solist*innen, so haben sie doch alle zu diesem besonderen Konzerterlebnis beigetragen. Was Christina Fuchs und Caroline Thon mit diesen exzellenten Musiker*innen des Fuchsthone Orchestra mit Reloaded #6 auf die Beine gestellt haben ist schon eine wahnsinnige Leistung. Hut ab dafür.

Das nächste Konzert findet am 31.8. in der Immanuelskirche in Wuppertal statt. Dann wird das Konzert noch zusätzlich von Visuals begleitet und bietet ein audiovisuelles Erlebnis.

Fuchsthone Orchestra Line Up:

Christina Fuchs (lead, composition, conductor), Caroline Thon (lead, composition, conductor), Roger Hanschel , Julian Drach, Veit Lange, Francois de Ribeaupierre, Kira Linn (saxes), Jan Schneider, Matthias Knoop, John-Dennis Renken, Matthias Bergmann (trumpets), Philipp Schittek, Jonathan Böbel, Moritz Wesp (trombones), Wolf Schenk (basstrombone, tuba), Zuzana Leharová (violin), Barbara Barth (vocals), Laia Genc (piano), Andreas Wahl (guitar), Alex Morsey (bass), Jens Düppe (drums), Eva Pöpplein (electronics, live samples)

www.fuchsthone.com

         

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