Frühstück bei Tiffany
Lesung und Konzert im Essener Grillo Theater
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Frühstück bei Tiffany ist Kult. Also geriet auch eine Jazzveranstaltung zu diesem Thema zum Selbstläufer im Essener Grillo-Theater. An zwei Flügeln begleiteten die Pianisten Chris Hopkins und Thilo Wagner den Schauspieler Markus Meyer bei einer Lesung aus Truman Capotes Roman….
Moon river, wider than a mile
I′m crossing you in style some day
Oh, dream maker, you heart breaker
Wherever you're goin′, I'm goin' your way
.. sang Audrey Hepburn 1961 als Holly Golightly in der berühmten Szene des Films Frühstück bei Tiffany. Truman Capote hatte den Roman schon 1958 geschrieben. Jetzt begleiteten die beiden Pianisten Chris Hopkins und Thilo Wagner den Schauspieler Markus Meyer bei einer Lesung aus Capotes Roman. Klar wurde: Eine solche Veranstaltung hat auf jeden Fall Eventcharakter, der ein großes Publikum anspricht im ehemaligen Essener Opernhaus, welches 1988 nach der Fertigstellung des Aalto-Theaters gründlich renoviert und in ‚Grillo-Theater‘ umbenannt wurde.
- Das Tiffany-Programm
Heute aber stehen zwei Flügel auf der Bühne, Thilo Wagner ist der zweite Pianist und Markus Meyer vom Wiener Burgtheater spricht den Text. Das Tiffany-Programm haben die drei schon einmal letztes Jahr am Wiener Konzerthaus uraufgeführt. Auch in Wien gibt es ein Juweliergeschäft Tiffany.
Der Schauspieler Markus Meyer trägt den Text vor. Er gehörte zum Berliner Ensemble von Claus Peymann, war bei den Salzburger Festspielen und ist seit 9 Jahren festes Mitglied im Ensemble des Wiener Burgtheaters.
Chris Hopkins
ist kein Unbekannter, wir haben ihn erst vor kurzem in einem Interview vorgestellt. Er hat das Tiffany-Programm organisiert.
Der Pianist Thilo Wagner wird auch der ‚schwäbische Oscar Peterson‘ genannt. Er wuchs in Brühl auf und ist mittlerweile fester Bestandteil der europäischen Swingszene. Er ist Mitglied u. a. des Emil Mangelsdorff Quartett, der New Frankfurt Jazz Connection und des Thilo Wagner Duos 'A Fine Romance'.
Hans Mrak steht nicht auf der Bühne, ist aber als Dramaturg unverzichtbar. Zwar hat Truman Capote den Roman geschrieben, doch Mrak hat daraus eine an die Bühne angepasste ‚Strichfassung’ erarbeitet. Dieser Begriff entstammt der Theatersprache; ein Teil des Textes wird gestrichen, früher oft aus politischen oder moralischen Gründen als Zensur. Doch heute abend geht es um Dramaturgie, um das Zeitvolumen und um passende Anschlüsse an die musikalischen Passagen.
- Moon River und mehr
Eröffnet wird der Abend von den beiden Pianisten mit You Took Advantage Of Me. Markus Meyer steht eingangs am Rand und liest ein kurzes Vorwort zur Entstehungsgeschichte des Films vor, das im Wesentlichen von Capote selbst stammt. Wenn er dann auf die Mitte der Bühne schreitet und im Sessel Platz nimmt, beginnt die eigentliche Lesung. Die Musik-Titel sind bekannte Swing Standards, die Liebe, Liebeskummer und käufliche Liebe thematisieren, wie Love For Sale, What Is This Thing Called Love, Tea For Two. An manchen Stellen sind konkretere Textbezüge erkennbar, z. B. bei Brazil und As Time Goes By, wenn Holly sich im Roman nach Brasilien absetzt.
Sind die Titel allen Zuhörern bekannt, müsste man sie kurz nennen oder würde das den Fluss der Aufführung stören? Natürlich warten alle auf Moon River, das berühmte Stück im ¾ Takt von Henry Mancini mit dem Text von John Mercer. Das Stück war extra für den Film geschrieben worden und erhielt 1962 den Oscar für den besten Filmsong. Der sechs Kilometer lange Moon River existiert wirklich in der Nähe von Mercers Heimatstadt Savannah.
Die beiden Pianisten sind erstklassig und wechseln sich in Akkordbegleitung und Solo ab, oft sieht man ihre Finger im Stride-Stil über die Tasten springen. Markus Meyer spricht sehr deutlich und akzentuiert. Er verändert oft seine Position im Sessel, doch viele Möglichkeiten zum Einsatz von Körpersprache hat er in dieser Position nicht.
- FORMAT Lesung + Musik
Was macht eine Lesung, die von musikalischem Vortrag begleitet wird, so ansprechend und unterhaltsam? Abwechslungsreicher ist es auf jeden Fall, doch wie ergänzen sich Text und Musik? Vielleicht ergänzen sie sich ja ähnlich wie Text und Bild in einem Buch. Beliebig ist die Musik jedenfalls nicht, der SongBreakfast At Tiffany's z. B., der 1995 von Deep Blue Something gesungen wurde, wird mit gutem Grund nicht gespielt.
Die Swingstandards schaffen eine Atmosphäre, die zu den Lebenssituationen der Protagonisten passt. Auch die Romanfigur des Mafia-Bosses Sally Tomato deutet auf die Swing-Zeit hin, obwohl zur Zeit der Buch- und Film-Entstehung längst längst Cool Jazz und Hard Bop en vogue waren.
Die Musik gibt Gelegenheit, den vorher gehörten Text zu ‚verdauen‘ und auf den weiteren Verlauf der Geschichte einzustimmen. So werden zwei verschiedene Modalitäten im Wechsel angesprochen, die sich gegenseitig gut ergänzen. Vollkommen gegensätzlich sind Sprache und Musik aber nicht, denn auch die Stimme erzeugt mit Tönen und ‚Satzmelodien’ eine Art von 'Musik'. Am Ende des Konzerts beim Singen von Moon River kommt dann beides wieder zusammen, die Stimme von Markus Meyer und die beiden Pianos, Text und Musik, bilden nun eine Einheit.
Was verbindet das Publikum mit dem Stück und dem Song? Die eigene Erfahrung des ‚roten Elends’ wie Sally es zuweilen hat? Oder einfach die Sehnsucht nach einem Ort, an dem sich alle Probleme in Luft auflösen? Für die einen ist es vielleicht die Südseeinsel, für Holly Golightly ist es das Frühstück im New Yorker Juweliergeschäft Tiffany.
Im Roman gibts kein Happy End, im Film aber schon und so hören wir als Zugabe S'Wonderful S'Marvelous. Und so ist auch diese Veranstaltung. Es sind eine Reihe weiterer Aufführungen an großen Theatern geplant.
Chris Hopkins hat seit Jahren immer mal wieder Konzert-Lesungen veranstaltet, u.a. in den 90ern als "Mark Twain in Concert" mit dem Schauspieler Karl- Michael Vogler. Erst im letzten Jahr fand im Bochumer AudiMax eine Lesung mit dem Schauspieler Thomas Anzenhofer statt mit Chris alleine am Piano. Aber auch Piano Duo hat er oft gespielt, zuletzt in wechselnden Konstellationen beim famosen ‚FunTastenFest‘ im Bochumer Musikforum.