Bild für Beitrag: Frühlingserwachen mit zwei Meistern am Kontrabass | Tatort Jazz
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Frühlingserwachen mit zwei Meistern am Kontrabass

Tatort Jazz

Bochum, 22.03.2013
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Angekündigt war im Kulturhaus Thealozzi Bochum beim Auftakt von Tatort Jazz eine Hommage zum Frühlingserwachen durch, ja durch den Bass, genauer: durch zwei Kontrabassisten in einem Quartett! In dieser äußerst ungewöhnlichen Besetzung war ein besonderer Abend zu erleben, der zwar von den winterlichen Verhältnissen draußen mit Frühling oder gar Frühlingserwachen herzlich wenig zu tun hatte, dafür umso mehr mit einem aufgeweckten und gut gelaunten Quartett mit Alex Morsey und Caspar van Meel am Kontrobass, Uwe Kellerhoff an den Drums und als Novize in der Tatort Jazz-Hausband Roman Babik am Klavier.

Die beiden Kontrabässe eröffneten das Konzert in einem Solo-Part mit einer Bach-Invention, einer im Jazz-Kontext vielleicht ungewöhnlichen Hommage an J.S.Bach, der den Bass als „Fundament der Musik“ weiter entwickelte und für die europäische Musiktradition selbstverständlich machte.
Es folgte ein wahrer Reigen mit dem Who is Who des Bass-Spiels im Jazz: Stücke von Oscar Pettiford, Scott LaFaro, Charlie Haden, Charles Mingus, Francois Rabath, Jaco Pastorius, Billy Cobham, John Lewis, Paul Chambers, Stanley Clarke, Dave Holland demonstrierten anschaulich, dass der Kontrabass bzw. seine elektronische Variante, der E-Bass, nicht ein einfaches Begleitinstrument oder das tieftönende Fundament von melodiösen Höhenflügen ist, sondern neben der Rhythmusfunktion ein sehr vielseitiges Instrument auch für den Melodie- und Harmonie-Bereich des Jazz sein kann. Variantenreich verstanden es Morsey und van Meel, die Vielseitigkeit des Instruments durch die Vielseitigkeit ihres instrumentellen Einsatzes zu demonstrieren: Spielte der eine eine den Rhythmus verstärkende Walking Bass-Linie und sorgte so für die entsprechende Erdung, konnte der andere wunderschöne Melodien von Jazz-Klassikern und Improvisationen über die rhythmische Grundstruktur legen. Pastorius‘ „Teen Town“ wird so ein einer ungewöhnlichen Swing-Version. Im Wechselspiel wird gezupft, geslapt, mit dem Bogen gespielt, auch kommt das Saiteninstrument mit dem wuchtigen Körper durchaus auch als Perkussionsinstrument zum Einsatz. Beide Bässe interagieren und kommunizieren mit Grooves und abwechselnden und zum Teil synchronen Solo-Einlagen. Die Vielseitigkeit der beiden Bassisten zeigt sich nicht nur in ihrem musikalischen Können am Bass, das sie übrigens beide in ihrer Ausbildung bei John Goldsby an der Folkwang Hochschule in Essen zur Meisterschaft entwickeln konnten. Beide erweitern ihr Bass-Spiel: Alex Morsey durch gelegentliches (Oberton-)Singen und dem Spiel mit der Tuba und dem Baritonhorn, Caspar van Meel durch den Griff zum E-Bass mit vier bzw. sechs Saiten. Bei „Uncharted Land“, einem Stück von Niels-Henning Orsted Pedersen, ist zusätzlich Milli Häuser zu erleben. Sie sorgt nicht nur für die rührige und fürsorgliche Organisation von Tatort Jazz (es gibt immer Leckeres für das Publikum und eine warme Mahlzeit für die Musiker!). Mit ihrer Stimme erweitert sie den herrlich summenden satten Bass-Sound in einem Trio. Bei aller Dominanz der beiden Kontrabässe: Auch der junge Roman Babik fügt sich mit seinem intelligenten und versierten Klavierspiel gut in das Zusammenspiel der Gruppe ein. Uwe Kellerhoff als rhythmisches Rückgrat sämtlicher Tatort Jazz-Auftritte ist mit originellen gekonnten Einfällen wie immer ein unaufgeregter „ruhiger“ Pol am Schlagzeug.

Nach der Zugabe mit ‚Homecoming‘ von Dave Holland ließen sich die Musiker von der Publikumsbegeisterung zu einem letzten Duo bewegen: Thelonious Monks Klassiker ‚Blue Monk‘ in einem Duo mit zwei Kontrabässen entließ das be-schwingte Publikum in eine wenig frühlingshafte Winterlandschaft. Man wünscht sich häufigere Auftritte dieser ungewöhnlichen Besetzung – bei jedem Wetter!

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