Frischer und jünger
9. Ystad Sweden Jazzfestival 2018
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Tim Dickesen
Es war warm, sehr warm in Ystad. Die lange Dürre führte sogar soweit, dass sich die Regionalregierung genötigt sah ein radikales Verbot für offenes Feuer auszusprechen. Die Geschäfte durften keine Holzkohle mehr verkaufen.
Dementsprechend warm war es auch in den vielen wunderbaren Locations. Aber oft war das nicht nur der Hitze dieses Jahrhundertsommers geschuldet, sondern auch, was Jan Lundgren, der künstlerische Leiter auf die Bühne brachte. Ein bunter Reigen von Jazz-Oldtimern, wie zum Beispiel den Manhatten-Transfers bis hin zu den ganz jungen aufstrebenden Jazzern. Und es war ein Festival der Frauen. Bei 21 von insgesamt 39 Konzerten waren Frauen dabei. Besonders hervorzuheben ist das Konzert mit Elin Larsson - Crossing Borders. (siehe gesonderter Bericht).
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Sonntagmorgen 5 Uhr 20. Ales stenar. Auf einem fast 40 Meter hohen Hügel befindet sich eine aus 59 bis zu 2 Tonnen schweren Steinen bestehende Schiffssetzung im Süden Schonens. Die Küste fällt steil zum Meer ab. Die Anlage wird auf circa 600 n. Chr. datiert und war wohl mal eine Grabanlage. Das an diesem frühen Morgen stattfindende Konzert wird als Gesamtkunstwerk in die Geschichte des Festivals eingehen. Pünktlich mit den ersten Sonnenstrahlen begannt der norwegische Trompeter Nils Petter Molvaer sein Solokonzert (Bild oben Mitte). Sphärische Kläng, donnernde Grooves und kreischende Töne umkreisten die Steinformation und wurden durch einen (endlich) auffrischenden Wind aufs Meer hinausgetragen. Jeder der 600 Zuschauer (!), die bereits bei Einbruch der Dämmerung den Weg an diesen mystischen Ort gefunden hatten waren von Zeit und Raum entrückt.
Aber der Reihe nach. Den Auftakt zum diesjährigen Festivals machte die, Anfang des Jahres mit dem Grammy („Best Jazz Vocal Album“) ausgezeichnete Sängerin Cécile McLorin Salvant. Diese mit allen Vocal-Techniken ausgestattete amerikanische Sängerin beherrscht das Repertoire des Great American Songbooks nach allen Regeln der Kunst. Das besondere aber an ihrem Style, dass das sie begleitende Trio dazu einen modernen, feinsten Piano-Trio-Jazz spielt und so die brillant interpretierten Stücke in neuem Licht erstrahlen lässt.
Eine völlig andere Farbe brachte dagegen die norwegische Kontrabassistin und Sängerin Ellen Andrea Wang am zweiten Tag ins Festival. Mit keinen geringeren als Erland Dahlen (Drums auch mit Nils Petter Molvaer, Eivind Aarset, Stian Westerhus) und Andreas Ulvo (Keyboards auch mit Frøy Aagre, Solveig Slettahjell und Mathias Eick) spielte sie feinsten Pop-Rock-Jazz mit filligranen Jazzelementen. Ein neuer Stil, der sicherlich auch die jüngere Generation begeistert hätte. Genauso wie das am folgenden Tag zur Unzeit (13.00 und 17.00 Uhr) aufspielende dänische Piano-Trio Phronesis im Vortragsraum des Ystad konstmuseum. Was die Auswahl der Orte und Uhrzeiten angeht, ist daher noch viel Luft nach oben. Dem Jazzkenner mag das bei einem Jazzfestival egal sein, will man aber in Zukunft mehr junges Publikum für das mit so viel Potential ausgestattete Festival gewinnen, muss hier über Ort und Zeit nachgedacht werden.
Mit in die Riege des jungen, frischen Jazz gehört auch das neue Projekt Tropiques des schwedischen Trompeters Goran Kajfeš. Inspiriert durch die elektronische Musik von Tangerine Dream und Bo Hansson lässt sich diese Musik am ehesten als Hypnojazz beschreiben. Und wie es sich gehört, bestand das Konzert in der Solhällan von Löderup dann aus nur einem Stück.
Begeisternd auch Omer Klein in der Klosterkyrken. Filigran, frech und in erfrischender Weise zum Publikum zugewand feuerte Klein in seinem Soloprogramm seines Sleepwalkers-Albums ab und macht glatt vergessen, dass dies eigendlich das Werk eines Trios ist.
Im Theater von Ystad, dem Hauptspielort des Festivals herrschten zum Teil kaum noch zu ertragende Temperaturen. Die vielen fleißigen Volunteers gaben sich alle Mühe die Hitze in einem, für Publikum und Musiker, erträglichen Rahmen zu halten. Aus Gründen des Denkmalschutzes ist der Einbau einer Klimaanlage hier nicht gestattet. Im Zuge des Klimawandels wäre unter Umständen ein Umdenken angesagt. Im Theater begeisterten Youn Sun Nah, die Wolfgang Haffner Band, Avishai Cohen zusammen mit der Bohuslän Big Band und Andreas Schaerer & A Novel of Anomaly. Alle diese Bands zeugen davon, dass sich das Ystad Sweden Jazzfestival entwickelt. Weg von den allzu großen Namen der Jazzgeschichte, hin zu neuen spannenden Projekten. Dasjenige Publikum, dass bereit war sich darauf einzulassen, wurde aufs Trefflichste mit begeisternden Konzerten belohnt.
Fazit: Das Ystad Sweden Jazzfestival bewegt sich musikalisch vorsichtig in die richtige Richtung. Frischer und jünger kommt es jedes Jahr mehr daher. Was fehlt, ist die Konzentration auf die Darbietung der Konzerte. Wenn man erklärtermaßen jüngeres Publikum gewinnen, muss auch hier mehr Wert auf die Präsentation gelegt werden.