Frisch, unkonventionell und vielseitig
15. JOE Festival Essen 2011
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Kein Wunder, dass Christian Lillinger sein Jackett schnell auszieht. Dem Schlagzeuger von „Hyperactive Kid“ wird rasch warm. Denn das Berliner Trio, und vor allem Lillinger, spielen eine Musik, wie man sie sich von hyperaktiven Kindern so vorstellen mag.
Ein echter Irrwisch ist Christian Lillinger, wenn er hinter seiner Schießbude sitzt. Rasend schnell trommelt er komplizierteste Rhythmen, lässt sie stolpern, stoppt, um die Musik in eine andere Richtung anzuschieben. Seine beiden Partner, Saxofonist Philipp Gropper und Gitarrist Ronny Graupe, gehen dabei kongenial den Weg der musikalischen Dekonstruktion und Neuzusammensetzung mit.
„Hyperactive Kid“ wagt plötzliche Wechsel, vermischt Töne, Geräusche und Noten spontan zu aufregenden und erregenden, improvisationsgetränkten Soundgewittern. Avantgarde, die mitriss.
Das 15. Festival der Jazz Offensive Essen (JOE), das an drei Tagen im prächtig besuchten Katakomben-Theater jeweils drei Bands pro Abends präsentierte, hatte dieses Jahr ein sehr glückliches Händchen mit Triobesetzungen. Denn auch „Freie Wahl“ und das „
Marc Brenken
Trio“ entpuppte´n sich als echte Festival-Highlights.
Vor zehn Jahren spielte „Freie Wahl“ das letzte Mal zusammen – auf dem damaligen JOE-Festival. Jetzt haben sich Gitarrist Andreas Wahl , Bassist Michael Kleinjohann und Drummer Christoph Hillmann erneut zusammengefunden und wollen künftig auch gemeinsam weitermachen.
Hoffentlich, möchte man sagen nach dem jetzigen Auftritt. Denn dieser Dreier servierte einen zwar nur relativ kurzen Set, der aber die ganze Finesse der drei Beteiligten demonstrierte. Ob in rockig-vertrackten Nummern, Blues, einem Coltrane-Cover oder zeitgenössischen eigenen Kompositionen - „Freie Wahl“ kamen in jedem Moment unglaublich frisch und völlig losgelöst von Zwängen rüber.
Das galt auch für das Trio des Essener Pianisten Marc Brenken , der sich zudem als ideenreicher Komponist vorstellte. Die meisten Songs des Abends stammten von seiner fantastischen CD „It could happen to you“, und Brenken und seine beiden Partnern Alex Morsey (Bass) und Markus Rieck (Schlagzeug) gelingt es auf dem Tonträger wie beim Essener Konzert, die gerade im Pianotrio ausgelatschten Wege zu umgehen, und mit eigenen klanglichen Ideen für einen feinen Hörgenuss zu sorgen.
Frisch, unkonventionell und vielseitig – so präsentierte sich das komplette JOE-Festival, das in diesem Jahr auf internationale Künstler verzichtete - sieht man mal von dem Schweizer Holzbläser Claudio Puntin als Gast der Band „Schultzing“ ab. Die regionale und nationale Szene bietet genug, das hat das Festival gezeigt. Denn ob das Quartett „Schneeweiss und Rosenrot“ mit Sängerin Lucia Cadotsch oder „Schultzing“, das Quintett des Pianisten Stefan Schultze - junge deutsche Musiker zeigten eindrucksvoll die noch genügend vorhandenen individuellen Ausdrucksmöglichkeiten aktueller Musik auf, die nicht immer nur Jazz sein muss.