Bild für Beitrag: „Filigrane swingende Kammermusik“ |Chris Hopkins feat. „The Three Blind Mice“
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„Filigrane swingende Kammermusik“

Chris Hopkins feat. „The Three Blind Mice“

Bochum, 18.01.2019
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Reiner Skubowius

Als „filigrane swingende Kammermusik“ bezeichnete Chris Hopkins die Musik der „Three Blind Mice“, mit denen er im Bochumer Kulturrat ein Doppelkonzert gab, das in dieser Konstellation nur dort aufgeführt wurde.

Die Charakterisierung ist treffend: ‚filigran‘, weil die drei Musiker aus Frankreich sehr virtuos mit ihren Instrumenten umgingen; ‚swingend‘, weil sie vor allem Stücke aus der Swing-Ära spielten; ‚Kammermusik‘, weil die Musik des Trios tatsächlich an die klassische Kammermusik-Atmosphäre erinnerte. Die Band hatte kurzfristig entschieden, keine Mikros zu benutzen. 100% ‚unplugged‘präsentierten die drei Solisten nun in künstlerischer Dichte und ohne große Gesten, scheinbar lässig, ihr Können, das von den knapp hundert, meist älteren Zuhörern des ausverkauften Konzerts begeistert aufgenommen wurde.

Chris Hopkins ist in Bochum als Jazz-Pianist auch durch viele Solo-Auftritte bekannt, seine Rolle bestand nun in der des ‚väterlichen‘ Freundes und Förderers. In einem Gespräch in der Pause erzählte er, dass er bei Konzerten bisher immer der Jüngste war. Hier spiele er zum ersten Mal als Älterer mit Musikern, die ca. 20 Jahre jünger sind; es sei seine Lieblingsband. Erst vor zwei Tagen hatten sie in dieser Konstellation das erste Mal zusammengespielt. Den Trompeter Malo Mazurié hatte er aber schon vor 14 Jahren kennen gelernt, als er den damals 13jährigen in einem seiner Workshops in Frankreich traf.

Chris Hopkins hielt sich zunächst musikalisch zurück. Er schuf mit seinem bekannten Stride-Piano-Spiel, aber auch mit seinen Ansagen den Rahmen des Konzerts. Am Anfang ließ er dem Trio viel Spielraum, indem er nach seinen Klaviereinlagen jeweils einem Solisten Zeit für Soli gab. Oft zog er sich auch ganz zurück, denn – wie er sagte – könnten sie „auch ohne ihn gut spielen“.

Das verwundert nicht weiter, denn Félix Hunot (akustische Gitarre, Gesang), Malo Mazurié (Trompete) und Sebastien Girardot (Kontrabass) sind ein eingespieltes Team. Jeder von ihnen ist in Frankreich als Solist bekannt, als Trio spielen sie auch bei Festivals und in Pariser Kneipen. Von den drei Trio-Musikern gefiel mir am besten der Bassist. Er fiel auf durch seine vielfältigen Anschlag- bzw. Zupftechniken, bei den Armstrong-Stücken klang er manchmal fast wie ein Banjo!

Geboten wurden Stücke von Louis Armstrong (‚The Weary Blues‘, u. a.), Sidney Bechet (‚Southern Sunset,u. a.), Duke Ellington (‚Black Beauty‘, u. a.) und vielen mehr, bei der Zugabe sogar ein Stück von A. Dvorak. Nachdem das Konzert mit zwei Songs von Louis Armstrong begonnen worden war, hatte ich oft den Eindruck, dass trotz der exzellenten Ausführung immer wieder die Rhythmik des New-Orleans-Jazz durchdrang. Die Vielfältigkeit der Band zeigte sich dann aber bei Marilyn Monroes ‚I’m through with love‘, die sehr langsam und mit viel Gefühl vorgetragen wurde.

Im zweiten Set wurde es dann noch lebendiger. Ambitioniert war die Umsetzung der Piano-Soli ‚Echoes of Spring / Carolin Shout‘ (Willie The Lion Smith; James P. Johnson) mit den Instrumenten des Trios. Zur Ballade ‚You are too beautiful‘ erschien Chris Hopkins überraschend mit seinem Altsaxofon und legte los, manchmal erinnerte der Sound mich an Paul Desmond. Er trat damit mehr in den Vordergrund und schuf in der Kombination mit den andern drei Instrumenten eine neue Stimmung, die über die anfangs beschriebene Kammermusik-Atmosphäre hinausging.

Manch einem Bebop, Cool Jazz, Fusion, Free Jazz oder aktuellen Jazz gewohnten Zuhörer mag diese Musik vielleicht zu brav erscheinen. Es gibt keine großen ‚Überraschungen‘, keine Präsentationen der Musiker während des Spiels, und auch die Soli klingen im ersten Moment oft glatt, als ob sie einstudiert wären. In Wahrheit erlebten wir an diesem Abend hochprofessionelle Musiker, die in der Lage sind, auch nach nur einem vorherigen Zusammentreffen Jazzklassiker durch ihr punktgenaues Spiel lebendig zu halten. Musikalische Finessen gab es viele, nur nicht immer sofort erkennbar.

Chris Hopkins sagte, es sei außergewöhnlich, dass so junge und qualifizierte Leute ‚alte‘ Musik spielen. Und daher stehen „The Three Blind Mice“ genau für die Vielfalt des Jazz, der eben auch den guten alten Swing in neuem, reizvollen Gewand wiedererleben lässt. Und dazu mit Humor und viel Spaß, den man dem Quartett auf der Bühne deutlich ansah und der sich auch schnell auf das immer wieder Szenenapplaus spendende Publikum übertrug. Apropos Humor: das Catering für die Musiker übernahm ein ortsansässiger Lieferdienst, der mit dem Motto wirbt „Hier gibt’s was für Ihre Mäuse“ – kein Widerspruch!


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