Schier atemberaubend

Wer glaubt, dass 16 Schlagzeug-Konzerte am Stück dem Zuhörer irgendwann aus den Ohren kommen, wurde beim Schlagzeugmarathon im Rahmen der Ruhrtriennale 2023 in eindrucksvoller Weise vom Gegenteil überzeugt.

Von 14.00 Uhr mittags bis 2.00 Uhr in der Nacht folgte im 45-Minuten-Takt ein Konzert nach dem anderen. Und jedes war anders. Mal experimentell, avantgardistisch, mal rockig. Von eher nur den eingefleischten Enthusiasten bekannten Trommlern bis hin zu "Big Names". Headliner: Billy Cobham, Marilyn Mazur, Aly Keita & Lucas Niggli und Mohammed Reza Mortazavi.

Es gibt den einen (blöden) Witz: Frage: "Wie viele Musiker spielen in eurer Band". Antwort: "Vier und ein Drummer". Das mag das ein oder andere Mal dann zutreffend sein, wenn der Drummer durch die Musik zum reinen Taktgeber degradiert wird, nicht aber so bei denjenigen, die das Schlagzeug, übrigens das älteste Instrument der Menschheit, als etwas begreifen, mit dem man so viele Emotionen ausdrücken und Botschaften senden kann. Und genau diese Kategorie von Schlagzeug-Virtuosen gaben sich beim Schlagzeugmarathon im PACT Zollverein ein Stelldichein.

Was sie auf zum Teil minimalistischen "Drumsets" boten, versetzte die Zuhörer*innen in Staunen. Wie zum Beispiel Etienne Nillesen der nur eine Snare Drum brauchte, um ein erstaunliches Klangerlebnis zu erzeugen. Auf der Snare rührte er mit Löffeln und Klöppeln und erzeugte damit sich überlagernde Frequenzen. Oder Mohammed Reza Mortazavi, der allein auf der Rahmentrommel derart fingerfertig spielte, dass die Zuhörerschaft sich fragte, wo so mancher Rhythmus gerade eigentlich herkommt.

Schier atemberaubend war die Performance des Balaphon-Virtuosen Aly Keita mit dem Schweizer Ausnahmedrummer Lucas Niggli. Zu deren Band gehört eigentlich der Bassklarinettist Jan Galega Brönnimann. Letzterer durfte aber leider nicht mitspielen, weil an diesem Tag ja nur Schlaginstrumente erlaubt waren. Von der Bassklarinette befreit, stockte bei dem, was die beiden einzeln und vor allem aber im gemeinsamen Spiel ablieferten, dem Publikum der Atem. Wie viele Gehirnhälften benötigen diese Drum-Virtuosen, um so etwas zuwege zu bringen?

Bei diesem besonderen Event wurde die Ausdruckskraft und Bedeutung, die dem Schlagzeug insbesondere für die Entwicklung der Jazz-, Rock- und Popmusik zukommt, eindrucksvoll demonstriert. Die Trommel ist das Instrument, das uns am intensivsten in unserem Innersten berührt und inspiriert. Vor allem, wenn sie in einer solch vielfältigen Art und Weise mit uns spricht. Und wo wurde sie erfunden? In Afrika.

WEITERE KONZERT-TIPPS

08.09.2023 | Lucas Niggli & Matthias Loibner im Rahmen des New Colours Festival auf dem Nordsternturm Gelsenkirchen

21. und 22.09. 2023 | Lucas Niggli mit der NDR-Bigband, Basel Sinfonetta und dem Chorwerk Ruhr im Rahmen der Ruhrtriennale in der Jahrhunderhalle Bochum