Experimentale im Kunsthaus Troisdorf
Drei Tage Hörerlebnisse der besonderen Art
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Drei Tage Musik im Kunsthaus Troisdorf, an denen das Publikum jedem Abend überraschende Musik erleben konnte.
An drei Abenden bot der künstlerische Leiter Frank Baquet dem Publikum spannende Konzerte. Eine musikalische Entdeckungsreise abseits des Mainstream.
Nachdem Bürgermeister Jablonski ein Grußwort gesprochen hatte, eröffnete der aktuelle WDR Jazzpreisträger Jens Düppe das Festival. Er hatte den Künstler Walter Padao eingeladen. „Wir sind gespannt, wo die Musik uns hinführt, am Ende landen wir auf jeden Fall auf dem Mond“, so Jens Düppe . Walter Padao malte auf einer Overhead Folie, die sich als Fließband bewegte. Die Bilder wurden an die Wand projiziert. Dieses Miteinander von Musik und Live Painting haben die beiden Künstler schon einige Male erfolgreich präsentiert. Das Neue in Troisdorf war, dass Jens Düppe neben Schlagzeug und Percussion auch Klavier spielte. Manchmal spielte er beides gleichzeitig, mit der rechten Hand Schlagzeug und der linken Klavier. Schon der Beginn der Performance war sehr eindrücklich. Jens Düppe spielte traumschöne Rhythmen und Walter Padao malte feine Zeichen dazu, die wie eine unbekannte Schriftart wirkten. Langsam steigerte sich die Musik und entsprechend wilder malte Padao. In das Bild hinein wurden schemenhaft Tanzfiguren projiziert und in die Musik wurde der Funkverkehr der Mondlandung eingespielt.
Während das Konzert von Jens Düppe einen klaren Spannungsbogen hatte, bestand das nächste Konzert aus sechzehn Miniaturen, die zusammen einen bunten musikalischen Blumenstrauß bildeten. Elisabeth Coudoux, Simon Rummel und Tina Tonagel setzten neben herkömmlichen Instrumenten, wie Cello, E-Gitarre oder Geige, viele selbstkonstruierte Instrumente ein, oder produzierten Töne mit Wassergläsern, Fön oder Backpapier. Die Bandbreite reichte von Musik, die von Wagners Nibelungenring inspiriert war bis zum Einsatz von Harmoniumzungen, die auf einer Getränkedose befestigt waren und einen schönen reinen Ton erzeugten. Auch das Publikum wurde mit einbezogen. Simon Rummel verteilte an die Zuhörer*innen selbstgebaute Orgelpfeifen, die er der japanischen Mundorgel Sho abgeschaut hat. Die drei Musiker*innen beeindruckten mit einer Fülle an musikalischen Ideen, an schönen Klängen und witziger Performance.
Die beiden Konzerte waren ein gelungener Einstieg in die Experimentale.
Der zweite Konzerttag begann mit dem Essener Duo Simon Camatta (Schlagzeug) und Florian Walter (Bassklarinette, Hechtiphon), das fein aufeinander abgestimmt gemeinsam improvisierte. Simon Camatta begleitete Florian Walter s tiefe Klarinettentöne mit Bogenstrichen an Becken und Trommeln oder er setzte kleine Stäbchen zum Trommeln ein, während Walter mit seinem selbstkonstruierten Hechtiphon knarrende und knatternde Klänge produzierte. Aber es gab auch wilde Improvisation, die von unbändiger Free Jazz Energie getragen wurde. Walters Hechtiphon ist wie eine Taschentrompete gebaut, aber mit drei Schalltrichtern und einem Zug, wie bei der Posaune. Die drei Trichter wurden, mit viel Fingerfertigkeit von Florian Walter mit unterschiedlichen Dämpfern und Stopfern gefüllt. Zwei Musiker mit einer erstaunlichen Intensität.
Dann wurde es laut. Das Copal Quintet brachte mit zwei Schlagzeugen und drei Bläsern Lautstärke in das Kunsthaus. Die Band besteht aus Tenorsaxophonist Norbert Stein , Andreas Wagner an Klarinette und Sopransaxophon, Rainer Weber an der Bassklarinette und Vasco Furtado und Israel Flores Bravo am Schlagzeug. Norbert Stein , nannte die Noten der Musiker “Wegmarken im Bereich des Möglichen und der Freiheit.“ Hoch her ging es wenn die Band Tutti spielte, die Musik bewegte sich dann zwischen Free Jazz und Noise. Aber es gab auch viele spannende Duos und Trios, z.B. Tenorsaxophon mit viel Vibrato und Schlagzeug, Sopransaxophon und Bassklarinette oder Bassklarinette und Schlagzeug. In immer neuen instrumentalen Kombinationen entstand so eine experimentelle improvisierte Musik, die das Publikum in seinen Bann zog. Eine besondere Ohren- und Augenweide war der Schlagzeuger Israel Flores Bravo aus Mexiko, der von einem Moment auf den anderen aus einem subtilen Spiel in eine explosive Improvisation wechseln konnte. Das Copal Quintet bot ein lautes und intensives Hörerlebnis mit spannender Musik.
Auch der dritte Abend bot wieder etwas Neues. Den Auftakt bildete das Duo Flonks, Matthieu Bech am elektrischen Klavier und Johannes Pfingsten am Schlagzeug. Eigentlich ist Flonks ein Trio, aber der Bassist erschien nicht. Die beiden Musiker spielten auch ohne Bass ein großartiges Konzert. Das Duo begann mit feinen Klangskulpturen, sie nahmen sich dabei Zeit das Klangmaterial zu entwickeln und steigerten sich zu intensivem freiem Spiel. Immer wieder schaffen Klavier und Schlagzeug großartige Spannungsbögen. Matthieu Bech am Klavier und Johannes Pfingsten am Schlagzeug sind gefühlt eine vollständige Band. Den Zuhörer*innen hat nichts gefehlt.
Das letzte Konzert der Experimentale war ein weiterer Höhepunkt: die Sängerin Thea Soti mit Live Elektronik und dem Tänzer Victor Szeri.
Theo Soti, die mit ihrem glasklaren Sopran, mühelos in alle Höhen und Tiefen kam, begleitete sich mit Elektronik, die von Rauschen bis zu harten schnellen Beats reicht. Selbst wenn Thea Soti ihre Stimme ganz leise zurücknahm, blieb sie völlig rein und klar. Der Gesang reichte vom Volkslied zu Spoken Word Performance. Die Elektronik und die Stimme standen immer im Einklang miteinander. Gleichzeitig tanzte Viktor Szeri dazu und setzte die Musik in ausdrucksstarke Bewegung um. In einer englischen Textstelle hieß es “ Searching for Redemption“ (Suche nach Erlösung). Thea Soti baute immer neue Spannungsbögen auf, die dann am Ende Erlösung fanden. Musik, Text und Tanzperformance bildeten eine gelungene Symbiose.
Drei Tage Experimentale, experimentelle Musik im Grenzgebiet von Jazz, Neuer Musik und Improvisationsmusik. Drei Tage auf einem anhaltend hohen Niveau, mit ständig neuen Aspekten. Ein Festival bei dem es viel zu entdecken gab. Frank Baquet hat wirklich einen guten Job gemacht. Bleibt dem Festival Experimentale, den anderen Konzerten, sowie den Kunstausstellungen, zu wünschen, dass viel Publikum seinen Weg nach Troisdorf finden möge. Es lohnt sich!