Exkursionen in sphärische Klangwelten
Kroke in der Bochumer Christuskirche
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Zum elften Mal schon gedachte die Christuskirche künstlerisch dem Tag der Befreiung von Auschwitz. Und wie im letzten Jahr, als die beiden Schwestern Petra und Marianne Rosenberg über die Verfolgung von Sinti und Roma berichteten, war es wieder ein berührender Abend in der Bochumer Kirche der Kulturen.
Am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz von der Roten Armee befreit. Und so einige Überlebende aus ehemaligen Konzentrationslagen in der Ukraine und Weißrussland hatten sich in der Christuskirche eingefunden, um an einem Abend aus Lesung und Konzert teilzunehmen.
Zwei Mitglieder der Bochumer Künstlerinitiative „Kosmopolen“ lasen Texte und Gedichte – über Auschwitz, die slawische und jüdische Seele oder das Mädchen, das für die Unterdrücker tanzt. Kurze, prägnante Texte, die unter die Haut gingen, waren das.
Welche Band könnte solche Worte musikalisch besser begleiten als das polnische Klezmer-Trio „Kroke“? Der Bandname bedeutet Krakau im Jiddischen. Bratschist und Geiger Tomasz Kukurba, Akkordeonist Jerzy Bawol und Kontrabassist Tomasz Lato stammen aus Krakau und haben jüdisches Blut in ihren Familien. Doch das bedeutet für die drei Freunde nicht, an traditioneller Klezmermusik starr festzuhalten.
Ohnehin hatte sich das Trio für diesen speziellen Abend ein Programm mit einer packenden Dramaturgie zusammengestellt. Leise, sich langsam in der Intensität steigernde Klänge voller Melancholie und Gefühl standen im Vordergrund. Ausgelassene, fröhliche Tanzrhythmen, wie sie die drei Polen sonst auch spielen, waren nicht zu hören.
Dafür ausgedehnte Exkursionen in bisweilen sphärische Klangwelten. Mit Improvisationen, die oft von ostinaten Minimalismen von Akkordeon und Kontrabass getragen wurden - im Verbund mit dem wortlosen Gesang von Tomasz Kukurba und der süßlichen Schmerze seiner mitunter leicht elektronisch modifizierten Bratsche ein Klangerlebnis.
Auch das Akkordeon suchte sich seinen Weg in die Seele der Zuhörer, die nur ganz am Schluss des Abends und dann auch nur recht verhalten klatschten. Aber dieser Klatschverzicht steigerte noch die intensive und nachdenkliche Stimmung in der Kirche.