Eröffnung Multiphonics Festival
Beyond the Roots Large Ensemble + Flat Earth Society
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Das Multiphonics Festival wurde in der fast ausverkauften Kölner Comedia mit zwei Großformationen eröffnet: Beyond the Roots Large Ensemble und die belgische Flat Earth Society.
BEYOND THE ROOTS LARGE ENSEMBLE IM HIER UND JETZT
Das Musiker*innen Kollektiv Beyond the Roots Large Ensemble ist schon so etwas wie ein Multiphonics Festival Ensemble. Es wurde auf dem Festival 2020 ins Leben gerufen und ist ein multikulturelles Ensemble, das traditionelle türkische, arabische, persische bis hin zu indischer und fernöstlicher Musik mit europäischem Jazz, Klassik und Zeitgenössischer Musik verbindet. Das zeigt sich schon in der Instrumentierung, bei der traditionelle Instrumente wie die Santur aus Persien oder die Djoze, eine kleine Spiesgeige aus dem Irak neben westlichen Instrumenten zu finden sind. Der Name Beyond the Roots ist Programm, die Musik des Ensembles setzt an den traditionellen Wurzeln an, geht dann darüber hinaus und schafft so etwas Neues.
Während in den letzten Jahren der orientalisch traditionelle Aspekt einen breiteren Raum einnahm, etwa bei Werken wie “Silkroad“, war die Musik des Eröffnungsabends deutlich mehr der zeitgenössischen Musik verbunden. Das zeigte sich auch an den drei Musiker*innen, die neue Instrumente in das Ensemble einbrachten. Carl Ludwig Hübsch mit der Tuba, Luise Völker am Akkordeon und Kerstin de Witt an den Blockflöten, alle drei sind bekannte Musiker*innen der zeitgenösischen Improvisationsszene.
Auf dem Konzert spielte das Ensemble eine vierteilige Suite mit dem Titel “Here and Now“, die von der Klarinettistin und künstlerischen Leiterin des Festivals Annette Maye stammte. In der Suite tauchten immer wieder persische, türkische oder arabische Melodiefragmente auf, die aber durch Improvisationen mit erweiterten Instrumentaltechniken oder durch atonale Passagen überlagert, bzw. gebrochen wurden. Die Overtüre war noch am nächsten an der Musik angelehnt, wie man sie von Beyond the Roots kannte. Der Gesang der persischen Sängerin Golnar Shahyar aus Wien sorgte in manchen Passagen für ein orientalisches Flair, den aber auch sie brach. Annette Maye gab im ersten Teil der Suite die Einsätze von ihrem Klarinetten Pult aus und wechselte dann an ein Dirigent*innen Pult vor dem Ensemble.
Die Suite “Here and Now“ war vielschichtig und komplex und forderte den Musiker*innen und dem Publikum viel ab. Es ist eine sehr mutige Entscheidung diese nicht gerade leichte Kost zur Eröffnung eines Festivals zu spielen.
FLAT EARTH SOCIETY EIN BELGISCHES POWERHOUSE
Es blieb nicht viel Zeit zum Nachspüren und Verdauen von Beyond the Roots. Nach der Pause wurde das Publikum von der Flat Earth Society unter Dauerbeschuss genommen. Ein Powerhouse von einem Großensemble mit 15 Musiker*innen, die laut, wild und manchmal auch krachend daherkamen. Das belgische Ensemble, von dem Klarinettisten Peter Vermersch gegründet, durchwanderte furchtlos einen wilden Dschungel an Musikstilen.
Von lässigen Swing Passagen, bis zu brachialem Rock Elementen, von wilden Free Jazz Improvisationen zu klassischem Big Band Bläsersätzen. Eine laute bunte Collage aus den letzten 50 Jahren Musikgeschichte. Immer mit einem Augenzwinkern, nahm sich das Ensemble selbst nicht zu ernst. So grätschten harte Gitarrenriffs und rockige Beats vom Schlagzeug durchaus schon einmal in eine swingende Melodie hinein. Mit ihrem Ritt durch die Jazz- und Rockmusik erinnerten sie ganz entfernt an die amerikanische Band Mostly Other People Do The Killing. Improvisationen hatten bei der Flat Earth Society einen breiten Raum. In klassischer Big Band Manier, kamen die einzelnen Solisten immer nach vorn an das Mikrophon und lösten sich dabei meist ohne Pause ab. Allerdings spielten die Solisten manchmal gegen ein Ensemble Tutti an, so dass ihre Soli kaum herauszuhören waren. Die Flat Earth Society war mit ihrem neuen Album “The One“ unterwegs, aus dem sie auch viele Stück spielten. Für ihren schrägen Humor sprach auch, dass sie ihr Konzert mit dem Titel “The Last“ eröffneten. Die laute Verstärkung dieser wuchtigen Musik, schränkte meinen Hörgenuss allerdings sehr ein. Vielleicht lag es daran, dass ich in der dritten Reihe saß und einfach zu nah an der Bühne war.
Nun geht es mit deutlich kleineren Formationen auf dem Multiphonics Festival weiter und wir dürfen uns noch auf viele schöne Konzerte in Köln, Wuppertal und Düsseldorf freuen.
Beyond The Roots Large Ensemble Besetzung:
Golnar Shahyar, Vocal / Kerstin de Witt, Blockflöten / Eva Zöllner, Akkordeon / Annette Maye , Klarinette / Kioomars Musayyebi, Santur / Bassem Hawar, Djoze / Albrecht Maurer , Violine / Leonard Skorupa, Bassklarinette / Antonis Anissegos, Piano / Mahan Mirarab, Gitarre / Carl Ludwig Hübsch, Tuba / Shiau-Shiuan Hung, Perkussion / Rie Watanabe, Perkussion.
Flat Earth Society Besetzung:
Gert-Jan Dreessen, Schlagzeug / Peter Vandenberghe, Piano, Keyboards / Kristof Roseeuw, Kontrabass / Maarten Flamand, Gitarre / Wim Segers, Vibraphone / Bart Maris, Trompete/Pauline Leblond, Trompete / Peter Delannoye, Posaune / Berlinde Deman, Tuba / Peter Vermeersch, Bassklarinette, Elektronik / Martí Melià, Bassklarinette / Bruno Vansina, Bariton Sax, Flöte / Sylvain Debaisieux, Alto Sax / Michel Mast, Tenor Sax.
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