Energiegeladener Jazz im Dreierpack
4. KLAENG Festival 2013
TEXT: Vera Marzinski | FOTO: Gerhard Richter
Er macht aus seinem Schlagzeug ein Melodie-Instrument: Christian Lillinger. Wer ihm zuschaut, kommt aus dem Staunen nicht heraus, denn er ist immer in Bewegung und erzeugt Töne mit dem Schlagzeug, die ganz unerwartet, so ganz anders sind. Eigentlich sollte er zur Eröffnung des KLAENG-Festivals im Kölner „Subway“ als erstes mit seiner Band „Christian Lillingers GRUND“ spielen, doch die Gäste mussten sich bis fast 23 Uhr gedulden. Aber dann gab es energiegeladenen Jazz mit viel „Free“. Die sieben Musiker eröffnen sozusagen ein Free-Jazz-Paradies. Da jaulen, seufzen und scheppern die Saxophone von Pierre Borel (Altsaxophon) und Tobias Delius (Tenorsaxophon). Am Vibraphon tanzt Christopher Dell förmlich mit seinem Instrument. Beim zweiten Stück mutiert er zum Dirigenten der Jazz-Combo. Um den Rhythmusteppich noch etwas zu erweitern hat Lillinger gleich zwei hervorragende Bassisten dabei: Jonas Westergaard und Robert Landfermann . Für manchmal sogar melodische Klangeinlagen sorgt Pianist Achim Kaufmann und mittendrin – den Fokus fast vollkommen auf sich ziehend - sitzt Christian Lillinger.
1984 wurde Lillinger in Lübben im Spreewald geboren, er studierte in Dresden. Seine erste Band passte perfekt zu dem Eindruck, den man von ihm beim Hinsehen bekommt: Hyperactive Kid. Aber der junge Drummer ist ein ganz Großer und so was von seiner Musik besessen – da kann der Zuschauer nur begeistert sein. Und das liegt auch an seinen Drumstärken: Sehr gelenkig, schnell und kreativ. Während er in einer Sekunde noch ein Becken festhält, um es in kurzen Intervallen zu traktieren, reibt er in der nächsten Sekunde schon mit einer Lampenschale darüber oder hält ein Megafon, das jede Vibration verstärken kann, auf sein Drumset. Aber nicht nur er improvisiert was das Zeug hält. „Christian Lillingers GRUND“ ist schon eine ganz spezielle Band. Sie ist Christian Lillingers persönliche Traumbesetzung. GRUNDlage sind Kompositionen, die alles zulassen und den Solisten (in diesem Falle allen) sehr viel uneingeschränkten Platz lassen.
Doch bevor es soweit war, bot der erste KLANG-Festival Abend, den Gästen noch zwei weitere ganz besondere Highlights. Mit Trilok Gurtu zelebrierte ein Meister des Perkussion einen fetzigen und mitreißenden Einstieg in den Abend. Mit dem brillanten Trompeter Frederik Köster, Jesse Millner am Piano und Bassist Jonathan Ihlenfeld Cuniado bewegte er sich zwischen Weltmusik, Klassik, Jazz, Pop und indischer Tradition. Als Vermittler zwischen indischen und westlichen Musik-Traditionen ist Trilok Gurto berühmt geworden. Neben seinen Auftritten mit Jazz-Künstlern zieht es ihn immer wieder zur Zusammenarbeit mit Vertretern der klassischen Musik. Er steht auch für besondere Klangeffekte – da wurde es sehr spährisch im gut gefüllten „Subway“ am Montagabend. Eng, etwas stickig, aber sehr urig ist es hier und dazu facettenreiche Jazzmusik mit einem hervorragenden Opener am ersten Abend – das freut den Festivalbesucher.
Eine Elfe aus dem Norwegerland im gelben Hängerkleid mit glitzerndem Krönchen aus Plastik-Tannengrün beeindruckte mit ihrer wahnsinnig reinen, sanften und doch gehaltvollen Sopranstimme. Hanne Hukkelberg trat im mittleren Teil des ersten Festivalabends mit Mai Elise Solberg (Perkussion) als Duo auf. Folk-Pop mit schrägen Elementen. Insbesondere durch die Perkussion von Solberg oder deren tiefem Gesang, der etwas beängstigend wirkte. Eher harmonisch der Auftakt von „To good to be good“ mit feinen Keyboard-Tönen und Schlägen auf eine kleine Klangschale. Bei der verträumten Stimme Hanne Hukkelbergs macht sich schnell Entspannung breit. Das Harmonische schlägt um in synthetische Klänge und Sirenenähnlichem Gesang. Sie „beamten“ ihre Zuhörer förmlich weg – nach Norwegen oder wer weiß wohin.
Das KLAENG-Festival findet in diesem Jahr nun schon in seiner vierten Ausgabe statt und ist ohne Übertreibung zu einem festen Bestandteil der Kölner Festivallandschaft geworden. Organisiert vom KLAENG-Kollektiv, das aus sieben jungen Kölner Jazz-Musikern besteht, die in ihrer Musik breit gefächerte Einflüsse improvisatorisch, kompositorisch und frei von Genregrenzen zum Ausdruck bringen. Und das schlägt sich auch in der Auswahl der Künstler des Festivals nieder.